Van Gogh
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Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit

Van Gogh
„Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“ // Deutschland-Start: 18. April 2019 (Kino)

Produktiv ist Vincent van Gogh (Willem Dafoe) ohne Zweifel, mehr als hundert Bilder hat er bereits gemalt. Dummerweise interessiert sich jedoch kaum einer für sie, weiter als bis zur nächsten Kneipe schaffen es seine Gemälde einfach nicht. Um dem Ganzen zu entkommen, beschließt der schwermütige Künstler, ein neues Kapitel im Süden Frankreichs zu beginnen. Doch auch dort bekommt er sein Leben nicht wirklich in den Griff, trotz der Unterstützung seines Freundes Paul Gauguin (Oscar Isaac) und seines Bruders Theo (Rupert Friend) verfinstert sich sein Gemüt zunehmend.

Sieh mal an, ein weiteres Biopic über Vincent van Gogh. Davon hat es eine ganze Reihe schon gegeben, seit den 1950ern, in allen möglichen Formen und Farben. Zuletzt versuchte sich Loving Vincent dem legendären Künstler anzunähern und wählte dafür einen sehr speziellen Zugang: Der Film nahm sich Bilder des Niederländers zur Vorlage und animierte diese. Das war ein so einzigartiger Anblick, dass die Aussicht auf einen weiteren Film erst einmal keine besonders großen Erwartungen weckt. Was soll da schon erzählt werden, was nicht schon die vielen vorangegangenen Kollegen erzählt haben?

Das alte Leben, neu übermalt
Der Inhalt von Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit ist dann auch weniger als Alleinstellungsmerkmal geeignet. Lediglich die Verarbeitung einer höchst umstrittenen These, dass der Tod des Malers von anderen verschuldet wurde und kein Selbstmord war, sticht hier hervor. Ansonsten sind die biografischen Anekdoten wenig überraschend oder auch aufregend. Das Leben van Goghs enthält nur wenige Ereignisse, die wirklich hervorstechen: Er malte, wurde von anderen ignoriert, zog nach Südfrankreich, wo er mit 37 Jahren verstarb.

Dass der Künstler von Willem Dafoe (The Florida Project) verkörpert wird, der bereits fast drei Jahrzehnte mehr auf dem Buckel hat, ist als Besetzung kurios, und doch nur eines der Elemente, die den Film tatsächlich zu einer bemerkenswerten Neuinterpretation machen. Dafoe selbst ist es, der durch seine entfesselten Auftritte als entrücktes Genie Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit von der Masse abhebt. In ihm spiegelt sich der Hunger auf die Welt, nach der Sonne und der Natur. In ihm findet sich auch die Finsternis wieder, die immer mehr von dem jungen Maler Besitz ergreift. Hässlichkeit und Schönheit gehen ineinander über, werden in immer dickeren Schichten aufeinander gespachtelt. Wo der Tag beginnt, die Nacht aufhört, das weiß man hier nie so genau.

Von Künstler zu Künstler
Regisseur und Co-Autor Julian Schnabel (Schmetterling und Taucherglocke), selbst ein außergewöhnlicher Maler, begegnet seinem 1890 verstorbenen Kollegen mit Respekt und Einfühlungsvermögen. Er erklärt dabei nicht die gesamten Mysterien, die den zu Lebzeiten eher wenig geschätzten Jahrhundertkünstler umgeben. Will das auch nicht. Der berühmteste Zwischenfall, als van Gogh sein eigenes Ohr abschneidet, wird hier beispielsweise nicht zum Höhepunkt stilisiert und in Szene gesetzt. Er ist einfach irgendwann da, ohne dass jemand weiß, warum. Auch die inneren Dämonen des Künstlers werden nicht rationalisiert, dafür aber in eigenwilligen Passagen visualisiert: Schnabel versucht, die Welt durch die Augen van Goghs zu sehen und diese Vision mit dem Publikum zu teilen.

Das ist immer wieder ein faszinierender Anblick, auch weil Dafoe hier eine seiner besten Darstellungen überhaupt abliefert – was bei seinem Gesamtwerk durchaus beachtlich ist. Auf eine weniger reizvolle Weise irritierend ist das Sprachwirrwarr. Während anfangs noch auf Französisch gesprochen wird, wechselt der Film später immer wieder zum Englischen, ohne dass dies inhaltlich zu begründen war. Da wäre mehr Konsequenz schöner gewesen: Wenn Sprache als Mittel der Authentizität, dann schon richtig. Außerdem spielt das Drama, das auf den Filmfestspielen von Venedig 2018 Weltpremiere feierte, seine Tricks schon zu früh aus, im Laufe der 110 Minuten kommt es doch zu spürbaren Längen. Dafür ist Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit eine sinnliche Erfahrung, wie man sie nur selten im Kino oder anderswo erlebt, wenn wir uns hier gemeinsam mit einem außergewöhnlichen Menschen auf die Suche nach der Ewigkeit begeben, die da draußen wartet, die drinnen wartet – und natürlich in den Hunderten von Bildern, die uns van Gogh hinterlassen hat.



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Schon wieder ein Biopic über Vincent van Gogh? Ja, aber eines, das es in sich hat. Während die Geschichte selbst bekannt ist, der Film inhaltlich auch gar nicht so wahnsinnig viel hergibt, ist die Umsetzung umso ungewöhnlicher. Vor allem Dafoes brillante Darstellung eines von der Liebe zur Sonne und der inneren Finsternis getriebenen Künstlers macht „Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“ sehenswert, trotz der gelegentlichen Längen.
7
von 10