On the Starting Line La Arrancada
© Dublin Films

On the Starting Line

On the Starting Line La Arrancada
„On the Starting Line“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Und was jetzt? Bislang zählte für Jenniffer nur ihr Sport. Leichtathletik. Darin ist sie gut, gerade auch beim Sprint, hat schon mal einen Wettbewerb gewonnen. Und es sollen noch weitere hinzukommen, am liebsten gleich bei den Olympischen Spielen oder so. Zumindest war das bis vor Kurzem so. Doch die Kubanerin Anfang 20 ist verletzt. Trainieren ist da nicht so wirklich drin, Wettkämpfe ohnehin nicht. Eine wirkliche Alternative hat sie jedoch nicht, auch weil ihr Heimatland nicht unbedingt als das Land der großen Alternativen und Möglichkeiten bekannt ist.

Streifzug durch Kuba
Etwas mehr als eine Stunde lang dauert On the Starting Line. Das ist nicht sehr viel, aber doch genug für den brasilianischen Regisseur Aldemar Matias, um einen kleinen Einblick in die heutige Lage Kubas zu geben. Dabei stehen hier keine großen Themen auf dem Programm, es gibt keine Statistiken, auch keine Kommentare des Filmemachers zur Entwicklung. Vielmehr wählt er einen persönlichen Zugang, indem er Jenniffer und ihre Familie vorstellt, die alle nach einem Platz für sich suchen in einem Land, das sich mitten im Wandel befindet.

Ihr Bruder beispielsweise steht bereits kurz vor dem Abflug, er sucht sein Glück in Südamerika. Die Mutter verfolgt keine eigenen Ziele, sie lebt vor allem für das Glück ihrer Kinder. Oder das, was sie für deren Glück hält. Dass das mit dem Sport gerade keine Option ist, das ist jedoch auch für sie erst einmal eine bittere Pille, zu groß sind die Hoffnungen, dass aus ihrer Tochter einmal etwas wird. Mehr als aus ihr: Der Dokumentarfilm fängt mit einer Szene bei ihrer Arbeit an, in der die Notwendigkeit diskutiert wird, Moskitoneste zu finden und zu zerstören.

Auf Tuchfühlung mit einer Familie
On the Starting Line, das auf der Berlinale 2019 Weltpremiere feierte, wechselt beständig zwischen solchen kaum zusammenhängenden Themen hin und her. Mal diskutieren sie die Flugroute des Bruders, mal treiben sie sich auf Sportplätzen herum, dann gibt es intime, geradezu zärtliche Momente zwischen Mutter und Tochter. Matias rückt der Familie dabei nicht von der Pelle, geht oft nah ran. Manchmal schon ein klein wenig unangenehm nah, als hätten wir uns selbst auf einer fremden Familienfeier eingeladen und sitzen jetzt wortlos am Tischende, still beobachtend.

Doch es ist eben nicht alles schön und idyllisch. Auch wenn die Armut der Bevölkerung nicht direkt thematisiert wird, immer wieder schimmert doch durch, wie weit der Weg von Kuba noch ist. Einer von Jenniffers Lieblingsorten: der Wi-Fi-Platz. Denn dort gibt es Internet, manchmal zumindest, wenn nicht gerade wieder die Technik versagt. Die Sehnsucht nach einem anderen Ort, nach der Welt, die irgendwo da draußen ist, sie ist nicht nur hier zu spüren. Zwischen Wehmut und Aufbruchsstimmung wechselt On the Starting Line, zwischen Neuanfang und Tradition, zeigt ein ganzes Land, das auf den Startschuss wartet und ein Rennen, von dem niemand weiß, wo es denn genau hinführen wird.



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„On the Starting Line“ nimmt uns mit nach Kuba, wo eine talentierte Sportlerin Anfang 20 mit einer Verletzung hadert. Das ist eine sehr persönliche Geschichte, auch weil die Familie eingebunden wird. Und doch hat der Dokumentarfilm viel über das Land als solches zu sagen, die Startlinie wird zum Symbol für einen ersehnten Aufbruch von ganz Kuba.