Kruso
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Kruso

Kruso
„Kruso“ // Deutschland-Start: 26. September 2018 (TV) // 5. Oktober 2018 (DVD)

Der junge Germanistikstudent Ed (Jonathan Berlin) will raus, weg, alles hinter sich lassen. Denn nach dem Tod seiner Freundin ist ihm ohnehin nichts geblieben, das ihn noch halten könnte. Und so findet er Zuflucht in der Gaststätte „Zum Klausner“ auf der Ostseeinsel Hiddensee. Viele sind dort gelandet, die nicht mehr in der DDR bleiben wollten, in der Gesellschaft bleiben wollten. So auch Alexey Krusowitsch (Albrecht Schuch), Kruso genannt, der mit Ed in der Küche der Gaststätte lebt, ihn in das Leben auf der Insel einführt. Schnell werden die beiden Freunde, auch weil sie noch sehr viel mehr verbindet als nur der Wunsch auszusteigen.

Auch wenn sich das Ende der DDR bald zum 30. Mal jährt, in Kino und Fernsehen gibt es ungebrochen neues Material, das sich mit deren Geschichte auseinandersetzt. Diese Woche sind es gleich zwei Filme, die nahezu parallel von Menschen erzählt, die es dort nicht mehr aushielten und fliehen wollten. Während der Kino-Thriller Ballon von Michael Bully Herbig jedoch von einer ganz konkreten Flucht mittels eines Heißluftballons berichtet, zeigt uns das TV-Drama Kruso eine andere Form der Flucht: die der Fantasie.

Inselutopie, fernab der Realität

Wie eine solche wirkt die Insel, auf der sich Ed und Kruso kennenlernen. Eine Insel mit ganz eigenen Regeln und Ansichten, die nichts mit der Welt da draußen zu tun haben. Es wird gearbeitet, es wird geliebt, es wird gegessen. Und doch ist der Ort einer, der nie wirklich real wirkt. Das liegt nicht zuletzt an den vielen Träumern, die in der Gaststätte ein und aus gehen, wie eben den beiden Hauptfiguren, die sich die Zeit mit eigenartigen Ritualen vertreiben, aber auch mit Gedichten. Das Drama, das auf dem Filmfest München 2018 das erste Mal gezeigt wurde, ist von einer idyllisch-märchenhaften Atmosphäre. Und doch lauert dahinter immer der Abgrund, Gewalt und Wut, auch eine (homo-)sexuelle Spannung.

Nicht ganz zufällig erinnert der Name Kruso dabei an die berühmte Romanfigur Robinson Crusoe, der auf einer einsamen Insel landete. Nun ist Hiddensee nicht am anderen Ende der Welt, an schönen Tagen kann man von dort aus sogar Dänemark sehen. Albrecht Schuch (Der Polizist und das Mädchen) verkörpert die Titelfigur aber als einen, der innerlich gestrandet ist. Einer, der sich sehr um andere Leute bemüht, etwa um Ed, aber doch auch eine einsame Gestalt ist, die mit sich selbst kämpft. Selbst wenn der Film lange verschweigt, worum es hierbei geht.

Eine Idylle mit Schönheitsfehlern

Allgemein ist die Verfilmung von Lutz Seilers gleichnamigen, preisgekrönten Roman keine der direkten Worte. Vieles wird nicht explizit angesprochen, es herrscht eine diffuse Stimmung, aus der das Publikum selbst schlau werden muss. Aber auch die Figuren auf der Insel müssen sich nach und nach auseinandersetzen, gerade zum Ende hin: Kruso spielt zu einer Zeit, als die DDR in ihren letzten Zügen liegt. Immer wieder dringen Nachrichten aus der Welt da draußen in den kleinen abgeschirmten Mikrokosmos ein, eine beginnende echte Freiheit da draußen wird mit der vermeintlichen auf der Insel kontrastiert. Denn frei ist im „Zum Klausner“ niemand wirklich.

Es ist dann auch dieses Spiel mit den Gegensätzen, das Kruso sehenswert macht. Der Widerstreit zwischen Utopie und Realität, das Nebeneinander von inneren und äußeren Gefängnissen. Die Musik ist manchmal etwas zu aufdringlich, ist zu schwer und unheilvoll für die traumartige Atmosphäre. Und natürlich ging durch die Verbildlichung Teil der Poesie der Vorlage verloren. Insgesamt ist Thomas Stuber (Herbert, In den Gängen) aber eine sehenswerte Adaption geglückt, die Geschichtliches mit Persönlichem verbindet, versponnene Trauerarbeit mit harscher Realität. Vor allem gegen Ende hin, wenn alles zusammenbricht, die DDR ebenso wie die kleine Enklave, Hierarchien auf den Kopf gestellt werden, geht diese so seltsam entrückte Aussteigergeschichte zu Herzen.



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„Kruso“ erzählt die Geschichte einer Ostseeinsel, die zum Ende der DDR die Heimat von zahlreichen Aussteigern wurde. Ganz so poetisch wie die Romanvorlage ist das TV-Drama nicht, ist aber doch für sich genommen sehenswert. Besonders der Kontrast zwischen utopischer Inselidylle und harscher bis trauriger Realität geht zu Herzen.
7
von 10