Cobain
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Cobain

Cobain
„Cobain“ // Deutschland-Start: 13. September 2018 (Kino)

Es ist nicht so, dass der 15-jährige Cobain (Bas Keizer) seine Mutter Mia (Naomi Velissariou) nicht lieben würde. Das tut er. Und sie liebt auch ihn. Doch das allein macht aus ihr noch keine gute Mutter: Nicht zuletzt wegen ihrer Drogenabhängigkeit ist sie völlig außer Stande, sich um ihn zu kümmern. Wie soll das dann erst bei dem Baby sein, das sie in sich trägt? Nach einem Streit beschließt er deshalb, erst einmal bei dem Zuhälter Wickmayer (Wim Opbrouck) unterzukommen, für den er im Anschluss keine Besorgungen erledigt. Bis Mia plötzlich wieder vor der Tür steht.

Schön ist es sicher nicht, zu einem anderen Menschen zu sagen, dass er keine Kinder haben sollte. Andererseits ist es auch keine sehr schöne Geschichte, die Cobain da erzählt. Wie auch? Benannt nach einem Mann, der sich mit 27 den Kopf weggeballert hat, das ist keine besonders vielversprechende Perspektive. 12 Jahre blieben dem jungen Protagonisten noch. 12 Jahre, in denen eine ganze Menge passieren kann. Das gilt grundsätzlich natürlich für jedes Leben, selten aber so deutlich wie hier.

Wo bin ich?
Denn deutlich ist in Cobain nur wenig. Das fängt schon bei der Kamera an, die ständig umhergeistert, als wüsste sie gar nicht, was sie denn da nun einfangen wollte. Und es setzt sich in dem Inhalt fort, denn auch der handelt vom Suchen. Die Suche nach Liebe, nach Halt, nach einem Zuhause. Die Suche nach sich selbst. Dabei hätte es Cobain deutlich einfacher haben können, schließlich ist die Pflegefamilie, die man für ihn fand – in seinem Alter nicht selbstverständlich – nett. Wirkt zumindest so. Aber unser Titelheld ist zu unruhig, zu rastlos, um bleiben zu können.

Außerdem ist er nicht wirklich ein Held. Wo andere Filme, in denen vernachlässigte Kinder ihren eigenen Weg gehen müssen, diese gern etwas idealisieren – siehe beispielsweise Jack –, da hat dieser hier nur sehr bedingt Vorbildfunktion. So löblich es natürlich ist, wie er sich für eine Mutter einsetzt, selbst in ihren hässlichsten Momenten zu ihr hält, so fragwürdig ist sein Verhalten an anderen Stellen des Films. Fragwürdig auch deshalb, weil das Drama selbst hier das Konkrete vermeidet, vieles gar nicht wirklich erzählt.

Eine fragwürdige Hauptfigur – in mehrfacher Hinsicht
Oft sind solche Leerstellen Schwäche eines Films: Wer es verpasst, Figuren einen nachvollziehbaren echten Charakter zu verleihen, der kann nicht viel Anteilnahme vom Publikum erwarten. Umso mehr, wenn es sich eben um ein Drama handelt. In Cobain ist dies jedoch Teil des Konzepts und wandelt einen Mangel in eine Stärke um. Viele Szenen sind auch deshalb spannend, weil eben nicht genau klar ist, warum sie geschehen, warum sich die Figuren auf diese Weise verhalten. Das reicht nicht ganz für echtes Mystery, dafür stehen die Rätsel zu wenig im Vordergrund. Aber es reicht, um kurz zu irritieren, gerade lang genug, dass man sich dafür interessiert.

So ganz weiß man am Ende von Cobain, das auf der Berlinale 2018 debütierte, dann auch nicht, wer die Hauptfigur als Mensch sein soll, worauf der Film hinauslaufen will. Über lange Zeit besteht er nur aus Einzelmomenten, die wenig bis gar nicht miteinander verbunden sind, oftmals mehr Stimmung als tatsächliche Geschichte ausmachen. Diese ist dafür gut, der interessanten Bilder und des vielversprechenden Hauptdarstellers wegen, der gleichermaßen Stärke und Verletzlichkeit ausdrückt. Und wem das zu wenig ist, der darf sich darauf freuen, wenn zum Ende doch noch härter durchgegriffen wird, Szenen auf das Publikum warten, die gleichzeitig schön und schrecklich sind.



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Erwachsen werden ist nie besonders einfach, vor allem mit einer zu jungen, drogenabhängigen Mutter, die sich um nichts kümmern kann. Aus diesem Szenario wird bei „Cobain“ ein auf faszinierende Weise unbestimmter Film über einen Jugendlichen, der auf der Suche ist, wenig ideal dabei, stark und doch verletzlich.
7
von 10