The Night I Swam

The Night I Swam

„Oyogisugita yoru“, Frankreich/Japan, 2017
Regie: Damien Manivel, Kohei Igarashi; Drehbuch: Damien Manivel, Kohei Igarashi; Musik: Jérôme Petit
Darsteller: Takara Kogawa

The Night I Swam
„The Night I Swam“ läuft im Rahmen des 18. Nippon Connection Filmfests in Frankfurt am Main (29. Mai bis 3. Juni 2018)

Manchmal braucht es keine Worte. Ein „Wuff“ tut es da auch. Oder ein paar davon. Es sind die einzigen Laute, die wir von dem sechsjährigen Jungen zu hören bekommen, während er durch die Gegend streift. Menschen begegnet er unterwegs auch, beachtet sie aber kaum. Den kleinen Hund dafür schon, der ihn so aufgeregt anbellt. The Night I Swam selbst ist nicht aufgeregt. Oder aufregend. Eine wirkliche Handlung haben der Franzose Damien Manivel und der Japaner Kohei Igarashi, die gemeinsam bei dieser ungewöhnlichen Kooperation Regie führten und das Drehbuch schrieben, nicht mitgebracht. Aber irgendwie brauchen sie das auch gar nicht.

Wenig Geschichte, viel Zufall
Man könnte ihr Werk, das seine Weltpremiere bei den 2017 Filmfestspielen von Venedig feierte, in wenigen Minuten wiedergeben. Gerecht würde man ihm dabei aber nicht. Die Geschichte selbst ist überaus simpel: Ein kleiner Junge wird nachts wach, kann danach nicht mehr richtig einschlafen. Am nächsten Morgen, wenn er von seiner Mutter für die Schule zurechtgemacht wird, entschließt er sich kurzerhand, woanders hinzugehen. Ein richtiges Ziel hat er dabei nicht vor Augen, er lässt sich eher vom Zufall den Weh leiten.

Darin besteht dann auch, je nach Ansicht, die Stärke oder Schwäche von The Night I Swam. Der Film verfolgt keinen sichtbaren Zweck, hat keine Dramaturgie, auch keine Höhepunkte. Stattdessen sehen wir mehr als eine Stunde zu, wie ein Junge durch den Schnee stapft, dabei mal an einem Laden vorbeikommt oder einem Bahnhof. Manchmal ist er aber auch einfach nur an irgendwelchen nicht näher zu definierenden Straßen. An Orten, von denen man gar nicht sagen kann, was sie genau sein sollen.

Ein sprachloses Alltagsmärchen
Hinzu kommt, dass der Film komplett auf Dialoge verzichtet. Dann und wann hören wir Sprachfetzen oder Gelächter im Hintergrund, die sich aber nie zu erkennbaren Worten zusammensetzen. Und selbst in den Momenten, in denen jeder erwarten würde, dass jemand etwas sagt, hüllt sich der Film in Schweigen. Um einen reinen Stummfilm handelt es sich bei The Night I Swam aber auch nicht, denn die normalen Umgebungsgeräusche sind immer noch da. Ein Auto, das vorbeifährt. Das Rattern der Bahn. Das Rascheln des dicken Mantels, den der Junge trägt, um Wind und Wetter zu trotzen. Oder eben der besagte Hund.

Darauf muss man sich einlassen können, die Ansprüche an einen regulären Film lieber gleich zu Hause lassen. Wer das von sich behaupten kann, der darf sich bei dem Beitrag vom Nippon Connection Filmfest 2018 in Frankfurt am Main auf ein wunderbares Kleinod freuen. Die Sprachlosigkeit verhilft dem Drama zu einer märchenhaften Atmosphäre. Gleichzeitig ist es die Alltäglichkeit, welche das Abenteuer hier auszeichnet. The Night I Swam bedeutet, die Welt wieder durch die Augen eines Kindes zu sehen, voller Begeisterung alles um dich herum zu erkunden, bewusst wahrzunehmen und für den Moment zu leben.



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„The Night I Swam“ ist ein ebenso eigenwilliger wie bezaubernder Film über einen Jungen, der einen Tag lang einfach nur durch die Gegend streift. Eine Geschichte hat die französisch-japanische Coproduktion nicht, auch keine Dialoge. Dafür viele wunderbare Einzelmomente, die märchenhaft und doch alltäglich sind.
8
von 10