A Suitable Girl

A Suitable Girl

„A Suitable Girl“, USA/Indien, 2017
Regie: Sarita Khurana, Smriti Mundhra; Musik: Saul Simon MacWilliams, Gingger Shankar

A Suitable Girl
„A Suitable Girl“ läuft im Rahmen des 33. DOK.fests München (2. bis 13. Mai 2018)

A Suitable Girl begleitet drei junge Inderinnen, die auf Drängen ihrer Familien einen geeigneten Ehepartner finden sollen. Dabei fürchten sie um den Verlust ihrer Identität, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Träume. Ritu, Dipti und Amrita repräsentieren die junge Mittelklasse-Generation Indiens. Mit guten Ausbildungen, finanzieller Stabilität und ihren Wurzeln in den Großstädten Mumbai und Delhi finden sie sich selbst irgendwo zwischen Tradition und modernem Lebensstil wieder. Den Leben der drei Mädchen steht eine dramatische Wendung bevor, als der Druck, verheiratet zu werden, seinen Zenit findet. Karrierepläne werden auf einmal zweitrangig neben der Suche nach einem möglichst vermögenden Ehemann. Alle drei werden mit der Aussicht konfrontiert, ihr Zuhause und ihre Familien zu verlassen, um Teil einer anderen zu werden.

Drei Schicksale, ein Problem
In der westlichen Welt bedeutet Ehe meist eine Vereinigung zweier Menschen und damit auch ihrer Familien, doch in Indien scheint die Institution der Eheschließung andere Folgen zu tragen – und das hauptsächlich für die junge Braut. Die beiden indischstämmigen Schöpferinnen der bewegenden Dokumentation, Sarita Khurana und Smriti Mundhra, die inzwischen in ihrer Wahlheimat Amerika leben, begleiteten die drei Protagonistinnen über drei Jahre. Jede verfolgt dabei eigene Ziele und wird von eigenen Sorgen geplagt. Der Film ist dabei präzise strukturiert und setzt die unterschiedlichen Charaktere und Abläufe geschickt nebeneinander.

In Delhi trifft man auf die 30-jährige Dipti, die mit Hilfe ihrer verzweifelnden Eltern Tag und Nacht damit verbringt, einen geeigneten Partner zu finden. Als letzten Ausweg sucht sie ein sogenanntes swayamvar, eine Art Speed-Dating, auf – jedoch ohne Erfolg. Schuld sei laut des schmierigen Organisators ihr Gewicht. Während Dipti von einer Zukunft als verheiratete Frau träumt, ist der 25-jährige Ritu ihre Karriere beim Wirtschaftsgiganten Ernst & Young deutlich wichtiger als die Hochzeitsplanung, was ihrer Mutter, die erfolgreich als Partnervermittlerin arbeitet, graue Haare bereitet.

Für Amrita, die in Delhi bis zuletzt ein sorgenfreies Leben inklusive Ausgehen und Shopping verbracht hat, ändert sich der Alltag schlagartig, als sie mit einem alten Schulkameraden verheiratet wird, der sie in seine ländliche Heimat hunderte Kilometer von ihrer Familie entfernt mitnimmt, damit sie sich dort um den Haushalt und den sterbenden Schwiegervater kümmert. Von allen dreien wird die Eheschließung von ihren Eltern und ihrem Bekanntenkreis als soziale Verpflichtung erwartet. Wer nicht mitzieht, mit dem kann etwas nicht stimmen. Beispielsweise verursacht Diptis Versagen ein tiefes Schamgefühl und schwere Selbstzweifel. Der Beitrag vom DOK.fest München 2018 beleuchtet in seinen Beobachtungen geschickt und ohne Haudrauf-Manier das Problem von soziokulturellem Sexismus, der nicht nur die jungen Frauen, sondern eine ganze Gesellschaft betrifft.

Aufprall von Tradition und Moderne
Das Resultat ist die Skizze einer Kultur, in der Frauen das Recht genommen wird, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden. Der Grund dahinter sind veraltete und wahrscheinlich völlig ungerechtfertigte Traditionen. Der Wert der Frau wird in ihrer Schönheit und ihrer Opferbereitschaft gemessen; der Wert des Mannes in der Höhe seines Bankkontos. Die drei Frauen betrachten ihre Situation auf unterschiedliche Weise. Während die eine an den alten Sitten klammert und sich nichts mehr wünscht, als einen Mann zu finden, spricht die andere ihre Abneigung gegen das Arrangement in klaren Worten aus. In allen drei Fällen erkennt man jedoch vor allem in den Zwischentönen, der Mimik und der Körpersprache der Mädchen den innerlichen Kampf zwischen infiltriertem Gedankengut und gesundem Verstand.



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"A Suitable Girl" öffnet eine Fenster in eine andere Welt, in der es für junge Frauen nur ein Ziel gibt: die Ehe. In intimen Aufnahmen präsentiert der sozialkritische und handwerklich erstklassige Dokumentarfilm das Schicksal dreier Mädchen und hinterfragt damit die Grundpfeiler eines Systems, das auf obsoleten Traditionen basiert. Eine horizonterweiternde Dokumentation.