Eine fantastische Frau
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Eine fantastische Frau

„Una mujer fantástica“, Chile/USA/Deutschland/Spanien, 2017
RegieSebastián Lelio; DrehbuchSebastián Lelio, Gonzalo Maza; Musik: Matthew Herbert
Darsteller: Daniela Vega

Eine fantastische Frau DVD
„Eine fantastische Frau“ ist seit 2. März 2018 auf DVD erhältlich

Es war ein so schöner Abend, den Marina (Daniela Vega) da mit Orlando (Francisco Reyes) verbringt. Doch er nimmt ein jähes Ende, als Orlando sich plötzlich unwohl fühlt. Marina reagiert schnell, ruft sofort einen Krankenwagen. Aber auch das bringt nichts mehr, kurze Zeit später ist er tot. Für Marina bedeutet das nicht nur, sich mit einem schmerzlichen Verlust auseinanderzusetzen, sondern auch mit der Familie des Verstorbenen. Denn die konnte sich nie damit abfinden, dass Orlando ihretwegen seine Familie verlassen hat. 20 Jahre Altersunterschied sind schon schlimm genug. Dass sie aber auch noch eine Transfrau ist, damit kann sich die chilenische Familie so gar nicht anfreunden.

Eine Schwäche für starke Frauen ist bei dem chilenischen Regisseur Sebastián Lelio kaum zu übersehen. Einem größeren Publikum bekannt wurde durch Gloria, in der eine 58-Jährige beweist, dass sie nicht einfach das Anhängsel eines Mannes sein will. Während Lelio derzeit an einer US-Fassung des Stoffes arbeitet, hat sich sein Ruhm kürzlich noch einmal gesteigert: Eine fantastische Frau gewann den Oscar als bester fremdsprachiger Film des Jahres. Damit setzte er sich nicht nur gegen die hochkarätige Konkurrenz aus Cannes durch (The Square, Loveless). Es bedeutete vor allem, dass der begehrte Preis erstmals nach Chile geht.

Eine starke Hauptdarstellerin
Das mag sicher auch an dem Zeitgeist zu tun haben, schließlich war mit Shape of Water – Das Flüstern des Meeres ein anderes Plädoyer für Außenseiter der große Gewinner des Abends. Es wäre aber unfair, Eine fantastische Frau allein darauf reduzieren zu wollen. Dafür hat der Film dann doch auch unabhängig davon genug zu bieten. Eine tatsächlich fantastische Hauptdarstellerin beispielsweise. Daniela Vega ist selbst transsexuell, kennt also die Umstände und Schwierigkeiten wohl nur zu gut. Denn selbst heute im Jahr 2018 haben Transgender-Menschen mit vielen Vorurteilen zu kämpfen – siehe die USA, wo Trump Transsexuellen den Zutritt zum Militär verweigern wollte.

Ähnlich offensiv sind die Anfeindungen in Eine fantastische Frau nicht, zumindest anfangs. Orlandos Ex-Frau bemüht sich beispielsweise um größtmögliche Freundlichkeit und besteht darauf, von Marina geduzt zu werden. Mit tatsächlicher Akzeptanz hat dies jedoch weniger zu tun. Hinter dem schönen Schein verbirgt sich eine Ablehnung, die sich erst zögerlich, später dafür umso härter zeigt. Ob es die kleinen Unsicherheiten beim Umgang mit Marina sind, offene Anfeindungen selbst Gewalt – das Bemühen um Anerkennung stößt nicht unbedingt auf offene Ohren. Aber auch bei Unbeteiligten, die hinter Marina nicht einfach eine Goldgräberin vermuten, überwiegt das Misstrauen. Wie so oft, wenn jemand nicht der Norm entspricht.

Von Verborgenem und Mysteriösem
Wie bei Gloria auch, so ist Eine fantastische Frau die Geschichte einer Frau, die sich davon aber nicht unterkriegen lässt. Marina mag weniger aufbrausend sein, ihr Schmerz und ihre Wut drücken sich eher durch Blicke aus, durch Mimik und Körpersprache. Selten verliert sie die Fassung. Auf Dauer lässt das ein wenig die Abwechslung vermissen, der Film tritt gern mal ein wenig auf der Stelle. Zwar spielt Lelio zwischendrin mit Mysteryelementen, ist auch Surrealem nicht ganz abgeneigt. Aber belässt es bei Spielen, hält sich hier wie an anderen Stellen doch lieber zurück, wenn es konkreter werden sollte.

Das ist etwas wunderlich, bringt den Film auch nicht entscheidend voran. Viel stärker ist Eine fantastische Frau, wenn Marina selbst im Vordergrund steht. Der Anfang beispielsweise, wenn sie und Orlando glückliche Momente miteinander verbringen, die sich einer festen Kategorisierung entziehen. Liebe kennt hier kein Alter, keine Normen, auch keine festen Geschlechterbilder. Es sind die schönsten Momente in einem Drama, das elegant und grob gleichermaßen ist. Das vielleicht nicht immer bei den Detailfragen überzeugt, aber doch kraftvolles Porträt einer starken Persönlichkeit ist, auf die zwar eingeprügelt wird, sich aber von niemandem brechen lässt.



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Eine Frau, die deutlich jünger ist und nicht mal eine richtige Frau – „Eine fantastische Frau“ erzählt, wie eine Transsexuelle vergeblich um die Anerkennung der Familie ihres verstorbenen Freundes kämpft. Das ist an manchen Stellen etwas grob gehauen und lässt auch etwas Abwechslung vermissen. Es bleibt aber ein sehenswertes Porträt einer starken Frau, die sich von nichts und niemandem unterkriegen lässt.
7
von 10