Voll verschleiert
© NFP

Voll verschleiert

(OT: „Cherchez la femme“, Regie: Sou Abadi, Frankreich, 2017)

Voll verschleiert
„Voll verschleiert“ läuft ab 28. Dezember 2017 im Kino

Leila (Camélia Jordana) und Sinna (Carl Malapa) können kaum glauben, was sie da sehen: Als ihr Bruder Mahmoud (William Lebghil) nach einem achtmonatigen Aufenthalt im Jemen wieder zurück in Frankreich ist, hat er sich nicht nur optisch sehr verändert. Er ist zudem tief religiös geworden. Und erzkonservativ. Die Frau hat daheim zu bleiben, muss ihre Reize verstecken und dem Mann dienen. Für Leila, die eigentlich für ein Praktikum bei der UNO nach New York will, kommt das so gar nicht in Frage. Anstatt die Wünsche seiner Schwester zu respektieren, sperrt Mahmoud sie daraufhin einfach in der Wohnung ein. Nur einen Menschen lässt er anschließend noch in ihre Nähe: Scheherazade, eine voll verschleierte Studienkollegin, die mit Leila lernen soll. Mahmoud ahnt jedoch nicht, dass es sich dabei in Wirklichkeit um Leilas verkleideten Freund Armand (Félix Moati) handelt. Richtig kompliziert wird es jedoch, als er sich auch noch in diese verhüllte Fremde verliebt und fest entschlossen ist, sie zu heiraten.

Filme über Religion, Vorurteile und Extremismus? Davon lässt man in Deutschland lieber die Finger. Das mag man respektvoll finden oder ängstlich. Auffällig ist jedoch, wie viel freier man in Frankreich mit dem Thema umgeht, wohl auch weil die Debatten darüber sehr viel stärker in der Öffentlichkeit stattfinden, anstatt an versteckten Stammtischen. Monsieur Claude und seine Töchter traf mit der genüsslichen Persiflage auf einen Konservativen, der sich unerwünschten Partnern seiner Töchter herumplagt, auch hierzulande einen Nerv. Am anderen Ende des Spektrums erzählen Filme wie Der Himmel wird warten oder Made in France von dem ernsten Problem radikalisierter Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen auch zu Gewalt greifen.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Mit Voll verschleiert kommt nun ein weiterer Film, der sich damit auseinandersetzt, in die deutschen Kinos. Die iranische Regisseurin und Drehbuchautorin Sou Abadi wählt für ihr Spielfilmdebüt dann aber doch einen leichteren, bekömmlicheren Ton. Sie begegnet der Problematik lieber mit einem Augenzwinkern und gibt auch den Herzen der Zuschauer ein klein wenig Futter. Anfangs nutzt sie das Thema des religiösen Fanatismus noch für den einen oder anderen Schockmoment, wenn Mahmoud seine Ansichten auch daheim zusetzt – notfalls mit Gewalt. Eine Gewalt, der auch Leila, trotz ihrer Bildung und ihres Selbstbewusstseins, nicht viel entgegensetzen kann. Doch sobald erst einmal die Idee geboren ist, Armand mithilfe eines Schleiers in die fremde Wohnung zu schmuggeln, wandelt sich die Geschichte in eine geradlinige Komödie.

Größere Überraschungen bleiben später dann aus, das zumindest ungewohnte Szenario nutzt Abadi für eine vergleichsweise gewöhnliche Liebesklamotte. Eine geradezu altmodische sogar. Männer in Frauenkleidung, die ihre Stimme verstellen? So etwas sieht man im Jahr 2017 nun wirklich nicht mehr oft. Hinzu kommen peinliche Situationen und Missverständnisse, alles was diese Art von Komödie so braucht. Das Thema für eine harmlose Albernheit zu verschenken, das wird nicht bei jedem auf Gegenliebe stoßen. Aber es ist doch eben auch unterhaltsam, was die Filmemacherin daraus macht. Vor allem die sturen und verzweifelten Versuche Mahmouds, seiner Angebeteten näherzukommen, führen immer wieder in komisches Chaos.

Nur vereinzelt nachdenkliche Töne
Spannender sind jedoch die Momente, wenn auch Armands Eltern (Anne Alvaro, Miki Manojlović) in die Geschichte eingreifen. Die sind einst selbst aus dem Iran geflohen, als das Land sich abschottete und zu einer strengen Auslegung alter Überzeugungen zurückkehrte. Sie bilden damit den Gegenpol zu dem Bild der sich radikalisierenden Jugendlichen, kämpfen auf ihre Weise gegen Engstirnigkeit und Bevormundung. An der Stelle zeigt sich der wenig anspruchsvolle Film von seiner eher nachdenklichen Seite. Mehr davon, vielleicht aber auch mehr satirische Schärfe wären  ganz gut gewesen, um dem Ganzen etwas mehr Kontur zu verleihen, mehr draus zu machen als Bespaßung für zwischendurch. Aber auch so ist Voll verschleiert eine amüsante Komödie, die sich unverkrampft eines wichtigen Themas annimmt, nicht wirklich weiterbringt, aber auch nicht weh tut.



(Anzeige)

Ein junger Mann kommt tief religiös aus dem Jemen zurück und will nun über das Leben seiner Geschwister bestimmen. Das ist an und für sich ein ernstes Thema, wird bei „Voll verschleiert“ jedoch für eine weitestgehend harmlose und vorhersehbare Komödie benutzt. Immerhin macht die aber Spaß, unterhält dank einer Reihe absurd-chaotischer Szenen um einen Mann, der sich als Muslima verkleidet.
6
von 10