Domain

Domain

(OT: „Domain“, Regie: Nathaniel Atcheson, USA, 2017)

DomainVerzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen. Und die Welt war sehr verzweifelt, als ein tödlicher Virus auftauchte und einen Großteil der Menschheit dahinraffte. Einige wenige Glückliche durften jedoch an einer Art Experiment teilnehmen: Eingeschlossen in Bunker sollen sie dort sicher vor Ansteckungen sein, erhalten Nahrung von außen und müssen dabei ihre Gesundheitswerte überprüfen. Jeweils sieben dieser Menschen sind dabei in anonymisierten Gruppen zusammengefasst, die über ein internes Kommunikationstool in Kontakt stehen. Phoenix (Britt Lower), Denver (Ryan Merriman), Boston (William Gregory Lee), Orlando (Kevin Sizemore), Houston (Nick Gomez), Atlanta (Sonja Sohn) und Chicago (Cedric Sanders) bilden eine dieser Gruppen. Über längere Zeit funktioniert dieses virtuelle Zusammenleben ganz gut. Doch nach einer Weile werden die Konflikte und Meinungsverschiedenheiten stärker, nach einer schockierenden Enthüllung wächst zudem der Drang, mehr über die Welt da draußen zu erfahren – mit fatalen Folgen.

Dass die Welt immer mal wieder kurz vor ihrer Auslöschung steht, das sind wir in Filmen schon gewohnt. Fast kein Zombiefilm kommt ohne die weltweite Apokalypse aus, wenn mal wieder irgendwo ein sich rasend schnell verbreitender Virus ausgebrochen ist. In Domain gibt es keine Zombies, und auch keine Action. Stattdessen nutzte Regisseur und Drehbuchautor Nathaniel Atcheson das Szenario, um daraus ein kleines, über weite Strecken recht ruhiges Kammerspiel zu basteln. Eine kleine Schar von Menschen, die auf beengtem Raum zusammenleben müssen, während draußen alles vor die Hunde geht. Das ist 10 Cloverfield Lane nicht unähnlich. Der große Unterschied: Die zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen finden hier nur virtuell statt, während sich keiner der sieben je begegnet.

Erschreckend aktuelle Zukunftsvision
Das hört sich vielleicht erst einmal nach einem Gimmick an, einer nett-unnötigen Variation bestehender Szenarien. Aber Domain ist eben mehr. Durch die Verlagerung auf eine rein virtuelle Kommunikation wird die düstere Zukunftswelt plötzlich erschreckend real und derzeitig. Niemand weiß hier etwas übereinander, alle sind sie hinter Pseudonymen versteckt. Hinter dem, was sie voneinander preisgeben. Und wie wir das alle aus dem Internet kennen: Geschichten müssen schön und spannend sein, die Wahrheit ist eher weniger von Interesse. Auch bei der Art und Weise, wie hier Leute miteinander umgehen – von einer bizarren, weil komplett lebensfremden Romanze bis zu offenen Provokationen – wartet hier so manches Déjà-vu-Erlebnis. Nicht zuletzt ist es das konstante Leben unter Beobachtung, an das wir uns in Zeiten von sozialen Netzwerken längst gewöhnt haben, was in dem Film mithineinspielt.

Nun ist Atcheson aber nur zum Teil daran interessiert, etwas über die Menschheit von heute zu erzählen und Schwächen bei einer sich verändernden Gesellschaft offenzulegen. Vielmehr soll Domain eben auch ein großes Geheimnis sein, das Publikum fesseln. Genreerfahrene Zuschauer ahnen schnell, dass das Szenario nicht ganz das sein kann, was es vorgibt zu sein. Während die sieben Protagonisten erstaunlich genügsam sind, was Informationen aus der Außenwelt betrifft, brennt man selbst schon sehr viel stärker darauf zu erfahren: Was ist da draußen eigentlich wirklich los? Was ist mit den anderen Menschen geschehen? Aber auch: Was geschieht mit den sieben Menschen hier?

Wendungsreich bis zum Schluss
Der Beitrag vom HARD:LINE 2017 spielt dabei relativ geschickt mit Erwartungen und hält die Neugierde hoch, was denn nun am Ende dabei herauskommt. Während viele eine der Wendungen schon von Weitem kommen sehen werden, ist eine andere dafür umso überraschender – Atcheson gelingt es, die Aufmerksamkeit so sehr in eine Richtung zu lenken, dass eine andere völlig unbeobachtet bleibt. Ganz überzeugend ist das Ergebnis dennoch nicht. Zum einen ergibt Domain an der Stelle nicht sonderlich viel Sinn. Zum anderen wurde der Twist erst so spät eingefügt, dass die sich daraus ergebenden interessanten Fragestellungen völlig ohne Antwort bleiben. An der Stelle hätte entweder mehr oder weniger passieren dürfen, in der gewählten Mittelvariante bringt das irgendwie nicht so viel, von etwas Irritation einmal abgesehen. Dennoch ist die Low-Budget-Mischung aus Science-Fiction und Mystery zumindest einen Blick wert in seiner Mischung aus Spannung aus Gesellschaftskommentar, zumal auch die spärlich eingerichteten Bunker atmosphärisch gestaltet sind. Ein regulärer Deutschlandstart ist derzeit jedoch leider erst einmal nicht geplant.



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Eine Gruppe von Menschen ist in Bunkern eingesperrt, während draußen ein tödlicher Virus grassiert. Die Kommunikation und Interaktion findet ausschließlich virtuell statt. Das ist eine interessante Ausgangssituation, hält die Balance zwischen herkömmlichem Science-Fiction-Mystery und gesellschaftskritischem Kammerspiel. Zum Ende hin versucht „Domain“ jedoch, mehr aus der Geschichte zu machen, was nicht so ganz funktioniert.
6
von 10