Anishoara

Anishoara

(OT: „Anişoara“, Regie: Ana-Felicia Scutelnicu, Deutschland/Moldawien, 2016)

Anishoara
„Anishoara“ läuft im Rahmen des 11. Fünf Seen Filmfestivals (27. Juli bis 5. August 2017)

Es gibt so Filme, bei denen weiß man nicht wirklich, wo und wie man anfangen soll, um ihren Inhalt wiederzugeben. Das muss nicht heißen, dass das Werk nichts zu erzählen oder zu zeigen hätte. Bei Anishoara beispielsweise hat man den Eindruck, dass hier nicht nur die anderthalb Stunden zu einem sprechen, die der Film dauert. Nicht nur das eine Jahr, welches im Laufe dieser Zeit abgehandelt wird. Sondern Jahre, viele Jahre, Jahrzehnte, vielleicht gar Jahrhunderte. Das Drama anzuschauen, das ist wie eine Reise zurück in die Vergangenheit.

Im Mittelpunkt dieser Reise steht die Titelfigur Anisoara, 15 Jahre alt, die zusammen mit ihrem Großvater Petru und ihrem kleinen Bruder Andrei in einem moldawischen Dorf wohnt. Sie drei tragen den Namen ihrer Schauspieler. Oder tragen die Schauspieler die Namen der Figuren? Die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion sind hier fließend, zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Man würde Anishoara auch oft genug abnehmen, eigentlich ein Dokumentarfilm über das ländliche Leben in dem südosteuropäischen Land zu sein. Rau ist die deutsch-moldawische Koproduktion, ungeschminkt, unspektakulär. Und doch auch wieder irgendwo poetisch, vielleicht gar magisch.

Die vier Jahreszeiten in schönen Bildern
Das liegt neben dem rezitierten Märchen zu Beginn natürlich auch an den wunderbaren Bildern, welche Regisseurin und Drehbuchautorin Ana-Felicia Scutelnicu uns da mitgebracht hat. In vier Jahreszeiten ist Anishoara unterteilt, entsprechend groß ist die Bandbreite der Szenerien. Doch gleich, ob nun alles in dicke Schneedecken eingehüllt ist oder die junge Protagonistin zusammen mit ihrem Freund unterwegs ist, der Film macht Lust darauf, das fremde Land auf eigene Faust zu erkunden.

Eine tatsächliche Geschichte sollte das Publikum jedoch nicht erwarten: Von der Chronologie der Jahreszeiten einmal abgesehen gibt es hier kein echtes Voranschreiten. Dinge passieren oder auch nicht, Menschen schauen vorbei und sind im nächsten Moment schon wieder verschwunden. Anishoara wirkt nicht nur wie aus der Gegenwart gefallen, sondern aus jeglichem Konzept für Zeit. Gesprochen wird ebenfalls wenig, man verständigt sich hier nonverbal – sofern es überhaupt das Bedürfnis nach Kommunikation gibt. Ein Deutscher taucht irgendwann auf und spricht mit den Leuten. So ganz klar ist jedoch nicht, was er im Film zu suchen hatte. Oder wen.

Aus Liebe zur Einfachheit
Der Rest begnügt sich damit, abends zusammenzusitzen, etwas zu trinken, anzustoßen und sich mit einem Falter Luft zufächern zu lassen. Das ist nicht viel, aber ihnen reicht es. Und man nimmt ihnen auch ab, dass ihnen das noch sehr lange so reichen wird. Mobiltelefone oder Flatscreens sind hier nirgends zu sehen, allgemein scheint man auf Geld und Statussymbole wenig zu geben. Wenn man wollte, könnte man den Beitrag vom 11. Fünf Seen Filmfestival daher auch als eine Liebeserklärung an das einfache Leben auffassen. Es ist eine Liebe, die nicht viele teilen werden, Anishoara ist ein Film, wie man ihn nur in Programmkinos oder eben Filmfestivals sieht. Wer die Möglichkeit hat, ihn dort anzuschauen, sollte das – eine Vorliebe für sehr ruhige, kontemplative Filme vorausgesetzt – jedoch durchaus in Betracht ziehen.



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„Anishoara“ erzählt die Geschichte einer 15-Jährigen in einem kleinen moldawischen Dorf, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Das ist nicht aufregend, sehr ruhig, teilweise geradezu poetisch in der Darstellung eines einfachen Lebens – auch der schönen Bilder wegen, die sich über ein Jahr erstrecken.
7
von 10