Tarzan 2
© Disney

(„Tarzan II“ directed by Brian Smith, 2005)

Man hat es schon nicht leicht, wenn man als kleiner Menschenjunge inmitten wilder Tiere im Dschungel aufwächst – vor allem, wenn man gar nicht weiß, dass man einer ist. Das einzige, was Tarzan weiß, ist dass er anders ist als die anderen. Langsamer. Schwächer. Eine Bedrohung für alle anderen, so muss er eines Tages ein Gespräch mithören. Als er kurz drauf aufgrund eines Unglücks für tot gehalten wird, nutzt er dann auch die Chance, sich allein durch den Dschungel zu schlagen und herauszufinden, wer er eigentlich ist. Dabei bekommt er Hilfe von dem alten Gorilla Zugor, den alle für ein Monster halten. Er begegnet aber auch drei anderen Gorillas namens Gunda, Uto und Kago, die nichts Gutes im Schilde führen.

Und täglich grüßt das Sequel-Tier: Wie so ziemlich jeder halbwegs erfolgreiche Disney-Film sollte auch bei Tarzan das gigantische Einspielergebnis von 450 Millionen Dollar angezapft werden, um auf dem Heimmarkt ein bisschen was herauszuholen. Dummerweise bot sich die 1912 von Edgar Rice Burroughs erfundene Figur nicht so richtig für eine Fortsetzung an. Zumindest nicht in der Form, in der es Disney ganz gern gehabt hätte. Also produzierte man stattdessen ganz ähnlich zum späteren Bambi 2 – Der Herr der Wälder ein Midquel und kehrte dafür zu den Anfängen zurück: Der erwachsene Tarzan wird kurzerhand fallengelassen, stattdessen dürfen wir ein bisschen mehr über dessen Kindheit erfahren.

Richtig spannend ist das Ergebnis nicht, wie schon bei Die Schöne und das Biest: Weihnachtszauber klappt das mit dem Aufbau einer neuen Bedrohung nicht so recht, wenn man von Anfang an aufgrund des Hauptfilms weiß, dass diese später nicht mehr auftaucht. Offensichtlich war man sich dessen hier aber bewusst und wählte deshalb einen anderen Zugang: Humor. Den hatte es in Tarzan natürlich auch schon gegeben. Damals hatte man zwecks besserer Vermarktung die Figuren Terk und Tantor eingeführt, tierische Sidekick-Comic-Reliefs durften in einem Disney-Film nun mal nicht fehlen. Anstatt aber wie dort das Rundumpaket zu schnüren, damit sich auch wirklich jeder darin wiederfindet, ist das bei Tarzan 2 simpler gehalten. Und auch wenn der behandelte Aspekt der Selbstsuche letztendlich schon im Vorgänger behandelt wurde, das Midquel damit eigentlich überflüssig ist: Die Konzentration aufs Wesentliche tut dem Film gut.

Größere Ambitionen hatte man hier natürlich nicht, das verbietet allein schon die junge Zielgruppe. Selbstzweifel und die Frage, wie man in diese Welt passt, sind aber ein derart universelles Thema, dass man sich trotz der kindlichen Verpackung zumindest hineinversetzen kann. Oder man ignoriert den Aspekt völlig und konzentriert sich auf die neu hinzugefügten Figuren. Denn die sind tatsächlich witziger, als man es von den Eigenkreationen der DisneyToon Studios gewohnt ist. Wo das berüchtigte Disney-Sequel-Studio sonst nach dem Motto „lieber schlecht geklaut als gut erfunden“ arbeitete, ist das Gorillatrio sowie ein schlecht gelauntes Nashorn/Vogel-Paar so bescheuert, dass man hier tatsächlich ungewohnt oft lachen kann.

Auch optisch schlägt sich Tarzan 2 wacker. Auf dem Niveau des vorangegangenen Kinofilms bewegt man sich natürlich nicht, vor allem bei den Animationen ist die Direct-to-Video-Produktion doch deutlich unterlegen. Aber man versuchte zumindest, die dynamischen Kamerafahrten, die Tarzan zu einem visuell ungewöhnlichen Vergnügen machten, zu imitieren. Geadelt wird der Film zudem wie so oft bei Disneys Zeichentrickwerken aus den 00er Jahren durch hochkarätige Sprecherprominenz. Im Original zumindest. Durch die Verjüngungskur gibt es zwar kaum ein Wiederhören mit den alten Stimmen – am meisten darf man noch Glenn Close als Gorilla-Mama lauschen, leider auch dem Soft-Pop-Barden Phil Collins –, dafür durften wir dieses Mal unter anderem Komik-Urgestein George Carlin und Ron Perlman begrüßen. Von einem tatsächlichen Highlight ist man zwar trotz dieser sprachlichen Expertise ein ganzes Stück entfernt, das nette und diesmal auch kitschfreie Kinderabenteuer gehört aber zu den besseren Ergebnissen von Disneys damaligem Fortsetzungsvermarktungswahn.



(Anzeige)

Wie das Original, nur schlechter. Das gilt prinzipiell auch für „Tarzan 2“, durch eine konzentrierte Handlung und witzige neue Figuren gehört das auch optisch solide Midquel jedoch zu den besseren „Fortsetzungen“ bekannter Disney-Zeichentrickfilme.
6
von 10