Dieses Sommergefühl
© Rendezvous Filmverleih

Dieses Sommergefühl

(„Ce sentiment de l’été“ directed by Mikhaël Hers, 2015)

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„Dieses Sommergefühl“ läuft ab 3. November im Kino

Keiner kann glauben, dass Sasha plötzlich nicht mehr da sein soll. Sie war so jung, so vital, freute sich darauf, endlich Lawrence (Anders Danielsen Lie) heiraten zu können. Doch nun ist sie tot und ihr Umfeld muss lernen, damit umzugehen. Während ihr Verlobter in Berlin daran zu zerbrechen droht und die Flucht nach New York antritt, bleibt ihre Schwester Zoe (Judith Chemla) in Paris und sucht Halt in ihrer Ehe. Immer wieder begegnen sich die beiden, treffen auch Sashas Eltern in Annecy oder Freunde und Bekannte. Aber wo sie auch sind, was sie auch versuchen, die Vergangenheit holt die Trauernden immer wieder ein.

Man sollte sich von Dieses Sommergefühl nicht täuschen lassen, nicht vom Titel, nicht vom Plakat, nicht von den schönen Szenenbildern. Ja, der deutsch-französische Film spielt im Sommer. An drei aufeinanderfolgenden sogar. Zeigt uns wunderbare Aufnahmen davon, wie man diese Zeit an den unterschiedlichsten Orten auf der ganzen Welt verbringen kann. Aber: Regisseur und Co-Autor Mikhaël Hers hat gar nicht vor, aus diesem Material einen Wohlfühlfilm zu machen, von unbeschwerten Sommertechteleien oder Ferienaufenthalten am Strand zu sprechen. Es ist der Tod, um den sich hier alles dreht.

Viele Filme sprechen natürlich davon, bereiten uns darauf vor, dass einer der Protagonisten bald sterben wird. Ein trauriger Höhepunkt. Dieses Sommergefühl beginnt mit einem Tod, der sicher kein Höhepunkt ist, auch nicht wirklich traurig. Nicht für den Zuschauer zumindest. Wer ist diese Sasha eigentlich, die am Anfang noch ihrer Arbeit nachgeht und kurze Zeit später beerdigt wird? Das weiß man gar nicht so genau, dafür ist sie zu schnell wieder verschwunden. Auch die Umstände ihres Todes werden kaum mal angesprochen. Große Wirkung erreicht man auf diese Weise natürlich nicht, das will der Franzose aber auch gar nicht – nicht hier, nicht zu einem späteren Zeitpunkt.

Er ist auch kein Mann der großen Worte. Weder die Trauer an sich, noch der Kampf damit oder das allmähliche Verarbeiten veranlassen das Umfeld dazu, zitierwürdige Reden zu verfassen. Vieles geschieht hier nur beiläufig, wird angedeutet. Dass der Film an besagten drei aufeinanderfolgenden Sommern spielt und den Rest des Jahres überspringt, verhindert naturgemäß eine nachvollziehbare Entwicklung der Figuren. Sie tauchen auf, begegnen sich, verschwinden wieder. Das gilt besonders beim Umfeld des Protagonisten, Freunde beispielsweise, die nur sehr punktuell eine Bedeutung erlangen.

Das ist ein nicht ganz alltäglicher Zugang zu dem Thema und ahmt doch genau dadurch das Alltägliche gekonnt nach. Wie im echten Leben laufen wir diesen Leuten über den Weg, sehen Momentaufnahmen, fragen nach, was in den letzten Monaten passiert ist oder müssen über Dritte mehr erfahren. Im Original funktioniert das noch ein bisschen besser, da durch die Synchronisierung das Sprachenwirrwar zwischen Deutsch, Französisch und Englisch teils wieder aufgelöst wurde. Aber selbst wer die deutsche Fassung anschaut wird sehen: Wie ein Puzzle setzt sich hier alles zusammen, ohne am Ende aber dunkle Geheimnisse oder übermenschliche Dramen zu zeigen, sondern die sehr menschliche Suche nach einem Neuanfang im Anschluss an den Verlust eines geliebten Menschen.

Das ist oft ziellos, so wie wir selbst ziellos von Tag zu Tag schlittern, uns dabei mal besser schlagen, mal schlechter. Antworten auf den richtigen Umgang mit Trauer enthält sich Hers, zeigt vielmehr, dass es diesen gar nicht gibt. So universell schmerzhaft ein solcher Verlust vielleicht sein mag, so individuell sind die Folgen für den einzelnen. Und damit auch die Folgen der Folgen. Spektakulär ist es ohnehin nicht, was Dieses Sommergefühl hier vermittelt beim Streifen durch die sommerlichen Städte. Dafür aber eine sensible Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Trauerarbeit, die uns von einer wunderbaren Musik begleitet zeigt, dass das Leben auch nach einem solchen Schicksalsschlag weitergeht, ob wir es wollen oder nicht. Wo auch immer wir sind, was auch immer wir tun. Und das ist ein Gefühl, das sehr schmerzhaft und doch zugleich tröstlich ist.



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Wie mit dem Tod eines geliebten Menschen umgehen? „Dieses Sommergefühl“ vermeidet eine klare Antwort, gibt allgemein seine Information nur bruchstückhaft preis. Und doch ist es eben dieser ungewöhnlich alltägliche Zugang zu einer nicht alltäglichen Erfahrung, welche das Drama zu etwas Besonderem macht.
7
von 10