Transit Havanna
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Transit Havanna

(„Transit Havana“ directed by Daniel Abma, 2016)

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„Transit Havanna“ läuft ab 3. November im Kino

Wenn man an Kuba denkt, dann fallen einem Punkte ein wie der allseits beliebte Rum, die geradezu legendären Zigarren, Tanz und Musik natürlich, vielleicht auch die etwas heruntergekommenen Gebäude einer vergangenen Ära, mit denen es der wirtschaftliche Niedergang des sozialistischen Staates nicht gut gemeint hat. Eine Mischung aus Freundlichkeit und ein bisschen Exotik, das Tor zu einer anderen Welt. Transsexuelle jedoch? Nein, dieses Bild würde nur wenigen in den Sinn kommen.

Allein deshalb schon ist Transit Havanna etwas Besonderes, er verknüpft zwei Welten, die man von sich aus kaum in Verbindungen bringen würde, es vielleicht auch nach längerem Überlegen nicht kann. Drei Menschen folgt dafür der gebürtige Niederländer Daniel Abma während seines Dokumentarfilms, Malú, Odette und Juani, lässt sie über sich erzählen, ihr Umfeld zeigen, aber auch, was es denn bedeutet, in Kuba im falschen Körper geboren worden zu sein. Und auch hier prallen Welten aufeinander: Eine von Traditionen und religiösem Glauben geprägte Gesellschaft und ein Alltag, in dem so mancher den eigenen Körper verkaufen muss, um auch nur irgendwie über die Runden zu kommen.

Dabei wäre die Geschlechtsumwandlung sogar gratis, sofern man das Glück hat, in das Programm von Cenesex aufgenommen zu werden. Denn die lassen einmal pro Jahr Chirurgen aus Europa einfliegen, um die lebensverändernden Operationen durchzuführen. Zu verdanken ist dieser Luxus in erster Linie Mariela Castro, der Tochter von Staatspräsident Raúl Castro, die sich leidenschaftlich für die LGBT-Szene einsetzt, persönlich, politisch wie wissenschaftlich. Dass die Nichte von Fidel dabei von ihrem Namen und Verbindungen profitiert, die kaum ein anderer nutzen könnte, ist klar, macht die Geschichte aber kein Stück weniger bemerkenswert.

Dass bei der Aktion alte Machtgefüge und neue Wege zusammenfinden, steht hierbei stellvertretend für ein Land im Umbruch. Abma hatte hier das Glück, zum richtigen Zeitpunkt Kuba bereisen zu dürfen: Bis der sozialistische Staat seinen festen Platz in der Weltgemeinschaft erlangt hat, wird sicher dauern, erste Schritte zur Normalisierung gerade mit den lange verfeindeten USA sind aber getan. Und es ist eben diese Aufbruchsstimmung einer sich im Wandel befindenden Gesellschaft, welche Transit Havanna schön einfängt. Wohin die Reise geht, kann keiner sagen, die meisten dürften schon froh sein, dass das aus der Zeit gefallene Land überhaupt eine Reise antreten darf. Dass es vielleicht wieder eine Perspektive raus aus dem Gleichstand und der Armut gibt.

Aber wie das mit Reisen ins Unbekannte ist, ein bisschen unheimlich dürfen sie einem schon sein. Und so sind dann auch die drei Transsexuellen nicht immer ganz sicher, dürfen bei aller Euphorie auch Angst vor der eigenen Courage bekommen – besonders, wenn das Umfeld mitspielt. Es sind daher auch höchste menschliche Geschichten, die Abma da zu erzählen hat. Mal emotional, mal komisch, von der gleichen Widersprüchlichkeit wie das Land und das Leben. Geschichten, die zwar die mit Transgendern gern in Verbindung gebrachte schrillen Töne hervorbringt, aber eben auch leise. Dass die drei begleiteten Beispiele nicht völlig miteinander austauschbar sind, ist die ebenso logische wie wohltuende Konsequenz: Hier werden Männer in Frauenklamotten mal nicht zu Paradiesvögeln degradiert, selbst wenn sie gerade vor paradiesischen Kulissen zu sehen sind, sondern zu Individuen, die zufällig einen Aspekt in ihrem Leben teilen.



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„Transit Havanna“ bietet anhand dreier Transsexueller einen spannenden Einblick in das heutige Kuba. Irgendwo zwischen Traditionen und Aufbruch funktioniert der Dokumentarfilm sowohl als Zeitporträt wie auch als Erzählung dreier höchst menschlicher Einzel-Geschichten.