Kidnap Capital
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Kidnap Capital

(„Kidnap Capital“ directed by Felipe Rodriguez, 2016)

Kidnap Capital
„Kidnap Capital“ läuft im Rahmen des 30. Fantasy Filmfests vom 17. August bis 18. September 2016

Stolze 2.800 Dollar, so viel fordert Wyler (Paulino Nunes) von seinen Gefangenen – darunter die Eheleute Manolo (Johnathan Sousa) und Elena (Michelle Arvizu), Gangster Rico (Michael Reventar) und der simpel veranlagte Pedro (Pedro Miguel Arce) –, damit sie die Freiheit wiedererlangen. Dabei hatten sie eigentlich gedacht, endlich ein neues Leben beginnen zu können, nachdem sie sich mühsam als illegale Immigranten in die USA gerettet haben. Stattdessen droht ihnen nun der Tod, sofern sie es nicht rechtzeitig schaffen, bei jemandem das Lösegeld aufzutreiben. Und das ist gar nicht so einfach, wenn man in einem Keller eingepfercht ist, ohne Kontakt zur Außenwelt, gerade mal ein Telefonanruf bleibt.

In den USA wird der Wahlkampf ja ganz gerne mal auf die Frage reduziert, wie mit illegalen Einwanderern umzugehen ist. Wer aber sind diese Leute, die es in der Hoffnung auf ein besseres Leben ins das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zieht? Woher kommen sie? Worauf hoffen sie? Zumindest teilweise versucht Felipe Rodriguez diesem Elend ein Gesicht zu geben, die unbekannte Masse zu tatsächlichen Personen werden zu lassen. So ist der Regisseur und Drehbuchautor bei seinem Filmdebüt immer ganz nah an seinen Protagonisten dran, verknüpft die kläglichen Ausbruchsversuche mit persönlichen Schicksalen, die er nach und nach preisgiebt.

Allzu viel sollte man aber dennoch nicht von den Gefangenen erwarten, dafür wachsen sie nicht genug zu echten Charakteren heran – was in einer solchen Situation vielleicht auch nicht zu erwarten ist, in ihrer Todesangst sind Menschen nun mal nicht sehr individuell. Wichtiger ist ohnehin, wie der Thrillerteil ausgefallen ist, ob man mit den Unglückspilzen mitfiebert während ihrer Not. Das jedoch ist nur streckenweise der Fall. Sicher, atmosphärisch ist Kidnap Capital durchaus kompetent umgesetzt: Fast der gesamte Film spielt innerhalb des Hauses, zum Großteil auch in den dunklen, beengten und heruntergekommenen Kellern, welche selbst bei hartgesottenen Zuschauern Beklemmungsgefühle auslösen. Dazu kommen konstant farbentleerte Sepiabilder, die den Film dann auch optisch wie eine Mischung aus The Seasoning House und Sicario wirken lassen.

Atmosphäre allein reicht aber ebenso wenig aus wie Mitleid für die in der schäbigen Unterwelt der USA gelandeten Verlierer. Da muss doch noch ein bisschen mehr versucht werden, um die anderthalb Stunden vollzukriegen und die Spannung hochzuhalten. Aus diesem Grund legt Rodriguez den Gefangenen dann auch in regelmäßigen Abständen die Daumenschrauben an, wenn Wyler sich die unterschiedlichsten Methoden ausdenkt, die Unerwünschten zu quälen, zu foltern, zu demütigen. Der Sadismus einschlägiger Horrorfilme à la Saw wird dabei zwar nicht erreicht, allzu empfindlich sollte man bei dem Beitrag vom Fantasy Filmfest 2016 dennoch nicht sein, dass hier am Ende nicht alle lebend oder gar unverletzt rauskommen werden, versteht sich ziemlich von selbst. Wenn überhaupt zittert man, wen es wohl als nächstes erwischen wird, was angesichts der nur wenigen echten Figuren jedoch auch nicht wirklich stark ausfällt.

Aber das ist eben auch das Problem von Kidnap Capital: Der Film hält sich zu sehr an die Erwartungen, verpasst es, aus der Anfangssituation irgendwann auch einmal mehr zu machen. Natürlich braucht nicht jede Geschichte großartige Wendungen, zumal sich die Optionen bei dem Szenario hier ohnehin in Grenzen halten. Wenn sich die in Aufenthaltstage unterteilten Kapitel aber quasi gar nicht mehr unterscheiden, sich weder bei Personen, dem Status Quo oder dem Ablauf etwas ändert, dann stellt sich doch die Sehnsucht ein, die eine oder andere Szene einfach mal zu überspringen, bis zu dem Punkt, wo die Handlung auch mal tatsächlich vorangeht. Das tut sie aber erst, wenn zum Ende hin doch kleinere und leider recht konstruierte Versuche der Gefangenen gestartet werden, ihrem Schicksal zu entkommen. Vorher ist Warten angesagt. Warten auf das Lösegeld. Warten auf den Tod. Und Warten auf das Ende des Films.



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„Kidnap Capital“ erzeugt recht kompetent eine wohlig beklemmende Atmosphäre, versucht zudem den Figuren des Entführungsthrillers mehr Tiefe zu geben. So ganz gelingt das aber nicht, insgesamt ist der Film inhaltlich eher schwachbrüstig und aufgrund der fehlenden Abwechslung zwischendurch auch langatmig.
5
von 10