Schnaps im Wasserkessel
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Schnaps im Wasserkessel

(„Schnaps im Wasserkessel“ directed by Hans-Erich Viet, 1991)

Schnaps im Wasserglas
„Schnaps im Wasserkessel“ ist seit 17. März auf DVD erhältlich

Mit einem Mann geht es los, der – offensichtlich ein wenig alkoholisiert – vom Rad fällt und im Wasser landet. Nein, Schnaps im Wasserkessel ist kein Film über die Gefahren von Alkohol im Straßenverkehr, trotz seines Titels nicht einmal wirklich ein Film über den Alkohol. Vielmehr beginnt Regisseur Hans-Erich Viet an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin mit einer Amateuraufnahme aus den 50ern. Damals droschen Landarbeiter im ostfriesischen Rheiderland noch Raps und erhielten als Bezahlung Schnaps und Rosinenbrot.

Viet, der später diverse Folgen von Polizeiruf 110 inszenierte, begnügte sich 1991 bei seinem Debüt aber nicht damit, einfach nur Altes auszukramen. Vielmehr nahm er das historische Material zum Anlass, um auf Spurensuche zu gehen. Was ist eigentlich aus den Leuten damals geworden? Und wie war das so, in den 50er Jahren in Ostfriesland? Es ist also schon ein sehr spezielles Thema, welches der auch tatsächlich in Rheiderland geborene Filmemacher da anpackt. Aber eines, das durchaus seinen Charme hat.

„Soll ich spielen?“ wiederholt eine ältere Dame, die seinerzeit auf einem Hof gearbeitet hat. Gemeint ist eine Mundharmonika, genauer sogar mehrere, welche sie in ihrer Handtasche offensichtlich immer sich mit herumträgt. Aber auch nachdem Viet sie längst ermuntert hat, sie fragt nach. „Soll ich spielen?“ Sie hat alle Zeit der Welt, auch beim Auspacken, so wie in der nördlichen Provinz die Uhren allgemein ein wenig anders ticken. Dazu passt auch, dass hier die meisten Leute in ihrer originalen Mundart sprechen, welche man ohne die beigefügten Untertitel wohl höchstens zufällig verstehen würde.

Diese Selbstvergessenheit wiederum verleiht Schnaps im Wasserkessel etwas sehr Persönliches, fast schon Intimes, so als wäre man bei den eigenen Großeltern zu Besuch und würde ihnen bei Geschichten von früher lauschen. Mit Kitsch hat das nichts zu tun, die Begegnungen sind keine Realvariante der „Werters Echte“-Reklame. Stattdessen dürfen auch finstere Erinnerungen ihren Weg in den Film finden, Erinnerungen an den Krieg, Erinnerungen an Armut. Eine schulische Ausbildung habe es damals nicht gegeben, da sich das keiner leisten konnte. Und so blieb den Leuten eben die Arbeit auf dem Land und auf den Höfen.

Mit unserer Gegenwart hat das natürlich weniger zu tun, an die Stelle der Menschen sind heute längst Maschinen getreten. Wer von einem Dokumentarfilm tatsächliche Erkenntnisse erwartet, der ist in Ostfriesland an der falschen Adresse. Stattdessen bietet Schnaps im Wasserkessel einen urigen, mal humorvollen, dann wieder nostalgischen Blick zurück auf eine Welt, die längst vergessen wurde. Die einfach nie relevant genug war, um Teil einer Geschichte zu sein. Bei Viet ist sie es. Ob nun verdient oder nicht, darüber mag man sich streiten, rührend sind die Begegnungen mit den Landmenschen aber sicherlich, eine gleich doppelte Zeitreise, die einen mit körnigen Bildern und Westernklängen das Hier und Jetzt vergessen lässt.



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„Schnaps im Wasserkessel“ geht dem Schicksal ehemaliger Landarbeiter aus den 50ern nach, zeigt was aus ihnen 40 Jahre später wurde und wie sie die Zeit damals erlebt haben. Das ist als Thema schon sehr speziell, aber von einem urigen, oft rührenden Charme.