Magical Girl
© Spanisches Filmfest Berlin

Magical Girl

(„Magical Girl“ directed by Carlos Vermut, 2014)

Magical Girl
„Magical Girl“ läuft ab 17. März im Kino

Viel Zeit bleibt der 12-jährigen unheilbar an Leukämie erkrankten Alicia (Lucía Pollán) nicht mehr. Es ist nicht einmal sicher, ob sie ihren 13. Geburtstag noch erleben wird. Ihr alleinerziehender Vater Luis (Luis Bermejo) ist deshalb fest dazu entschlossen, ihr zuvor noch einen Herzenswunsch zu erfüllen: das Kleid ihrer Heldin aus einer Zeichentrickserie kaufen. Billig ist der Spaß nicht, knapp 7.000 Euro kostet der Japanimport – zu viel für den arbeitslosen Lehrer. Aufgeben will er dennoch nicht und macht bei seinen verzweifelten Versuchen, an das nötige Geld zu kommen, bald die Bekanntschaft der attraktiven, an Depressionen leidenden Bárbara (Bárbara Lennie) sowie des frisch aus der Haft entlassenen Damian (José Sacristán).

Es ist schon ein eigenartiger Film, den der spanische Regisseur und Drehbuchautor Carlos Vermut hier abgeliefert hat. Dabei ist es weniger die Ausgangssituation, die hier so ungewöhnlich ist, sondern das, was bei Magical Girl draus wird. Ein Vater, der den letzten Wunsch seiner sterbenden Tochter erfüllen möchte. Da wäre ein Drama eigentlich naheliegend, das mit vielen überlebensgroßen Momenten einen Dauerangriff auf die Tränendrüsen startet. Alternative zwei wäre eine Komödie, schließlich ist der Inhalt des Wunsches ein eher skurriles, völlig überteuertes Kleid. Und auch der Versuch schnell an viel Geld zu gelangen, hat eine Menge komisches Potenzial. Vermut jedoch, der macht weder das eine, noch das andere.

Das soll nicht heißen, dass Magical Girl nicht traurig oder komisch sein kann. Eigentlich ist der Film sogar herzzerreißend, wenn Luis dem jungen Mädchen zu Beginn Zigarette und Gin erlaubt, weil er genau weiß, dass sie nie alt genug werden wird, um das im „richtigen“ Alter noch zu erleben. Und einige Momente sind so seltsam, dass man gar nicht anders kann als lachen. Und doch ist der Film am ehesten noch ein Thriller, denn nach dem tragikomischen Auftakt geht es mitten rein in die Abgründe der Menschheit. Dass Luis aus Verzweiflung heraus sich abseits seines normalen Verhaltens bewegt, das mag noch nachzuvollziehen sein. Bei Bárbara und Damian jedoch, von einigen Nebenfiguren ganz zu schweigen, da scheint ganz grundsätzlich einiges nicht zu stimmen.

Einfach macht es Vermut einem hier jedoch nicht: Mit einem magischen Trick beginnt er seinen Film, mit einem solchen beendet er ihn. Aber auch dazwischen arbeitet er mit Täuschungen, umgeht Erwartungen, deutet an, um dann jedoch die Antwort komplett zu verweigern. Da wartet eine Tür zum Alptraum, ohne dass wir diesen je zu Gesicht bekommen, wir erfahren dürfen, worum es dabei eigentlich geht. Manches lässt sich rekonstruieren, wenigstens aber vermuten. Vieles aber auch nicht, dafür sind die Hinweise zu spärlich und unzusammenhängend.

Das wird für den einen oder anderen Zuschauer sicher auch frustrierend sein: Magical Girl, das ist wie ein Mysteryfilm ohne Auflösung, nur eben einer, der in der Realität angesiedelt ist. Einer traurigen, alptraumhaften Realität, in der jeder das Unglück findet – der eine freiwillig, der andere nicht. Sieben Mal war der Film 2015 für den größten spanischen Filmpreis Goya nominiert, und das obwohl er mit seinen durchwegs zerstörten Figuren eigentlich kaum mainstreamtauglich ist. Umso schöner, dass das Thrillerdrama dennoch seinen Weg in die deutschen Kinos findet. Es ist vielleicht nicht der spannendste Vertreter seines Genres, gerade im Mittelteil des über zwei Stunden langen Films zieht sich die Geschichte ein wenig, auf Action oder Tempowechsel muss man hier völlig verzichten. Aber er ist sicher einer, der durch seine Eigenwilligkeit und seine fremdartige Tragik eine Bereicherung darstellt.



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Wenn ein Vater seiner sterbenden Tochter ein skurriles Kleid kaufen möchte, dann ist das traurig und alptraumhaft, in Folge aber vor allem auch seltsam, ein realistischer Mysteryfilm, der ganz eigene Wege geht und dabei viele Abgründe nur andeutet.
7
von 10