Honourable Woman
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The Honourable Woman

(„The Honourable Woman“ directed by Hugo Blick, 2014)

The Honourable Woman29 Jahre nachdem ihr Vater Eli Stein, ein israelischer Waffenhändler, vor ihren Augen ermordet wurde, sind es die Geschwister Nessa (Maggie Gyllenhaal) und Ephra (Andrew Buchan), die das Familienunternehmen leiten. Die Ausrichtung hat sich seither jedoch stark gewandelt: Anstatt mit Material den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu befeuern, versuchen die zwei, etwas zur dessen Lösung beizutragen. Ihr bislang ambitioniertestes Werk, der Aufbau eines palästinensischen Telekommunikationssystems, steht unmittelbar bevor. Doch immer wieder versuchen andere, das Projekt zu sabotieren, zuletzt sogar durch die Entführung von Kasim (Adnan Rashed), dem Jungen von Ephras Kindermädchen Atika (Lubna Azabal).

Auch wenn der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern in den Medien prominenteren Unruheherden weichen musste – Flüchtlingsproblematik und ISIS –, eine Lösung ist nach wie vor nicht in Sicht. Und wo ein Konflikt, da mitunter auch eine spannende Geschichte. Eine solche hat dann auch The Honourable Woman zu erzählen, ausgerechnet durch die Augen einer Vermittlerin, die zwischen allen Fronten steht. Sie ist weder Agentin noch Politikerin, auch kein Teil des Militärs, sondern „nur“ eine Geschäftsfrau. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Erzählweise: Actionszenen gibt es hier so gut wie keine, hier wird mit Worten geschossen, nicht mit Kugeln.

Langweilig ist die Serie dennoch nicht, da an die Stelle von offenen Schlagabtäuschen die verborgenen treten. Soll heißen: Hier wird intrigiert, wo es nur irgendwie geht, fast jede Figur hat ein dunkles Geheimnis oder eine versteckte Agenda. Das hat durchaus auch seine komischen Seiten, wenn Palästinenser, Israelis, Amerikaner und Briten alle mitmischen, jeder jeden hintergeht, bis man am Ende gar nicht mehr weiß, wer eigentlich wo steht. Der Reiz von The Honourable Woman besteht dann auch zu einem großen Teil darin, sehnsüchtig auf das Licht in der Dunkelheit zu warten. Warum wurde Kasim entführt? Und von wem? Was ist Nessas Geheimnis? Welches Spiel treiben die Amerikaner dabei?

Dass die Serie in Großbritannien entstanden ist – genauer entwickelte sie der Walise Hugo Blick für die BBC –, merkt man ihr zu jeder Zeit an. Nicht nur, dass die Steins zu einer englisch-israelischen Familie gemacht wurden, der internationalen Zugkraft wegen, der britische Geheimdienst kommt hier definitiv besser weg. Nicht ohne Mängel, oft sogar fast rührend ahnungslos, scheinen sie sich aufrichtig um das Wohl zu sorgen, während die Kollegen jenseits des Teiches eher als Schulhofrowdys auftreten, welche im Zweifelsfall alles und jeden über den Haufen schießen, so lange es nur der eigenen Sache nutzt.

Aber so richtig interessant sind die Figuren ohnehin nicht. Nessa, die hier als Identifikationsfigur auftreten soll, ist mit einer bemerkenswerten Naivität ausgestattet, wirkt zudem so, als hätte sie ständig eine Überdosis Valium verschluckt. Ephra ist deutlich egoistischer und zynischer, gewinnt darüber hinaus aber kein echtes Profil. Bei den Nebencharakteren versuchte man es gar nicht erst. Lediglich Janet McTeer als MI6-Chefin Dame Julia Walsh und Stephen Rea als Sir Hugh Hayden-Hoyle, ihr Mann im Mittleren Osten, stechen durch ihre unterhaltsamen Kabbeleien hervor.

Über die wenig packenden Charaktere muss man hinwegsehen können, auch über die etwas übertriebene Geschichte, die jeden Zwischenfall zu einer seit Jahren geplanten Verschwörung hochstilisiert – da wäre etwas Zurückhaltung leichter verdaulich gewesen. Wer sich daran nicht schwört, Intrigen und Doppelspiele mag, der bekommt hier eine Menge geboten, Stoff zum Rätselknacken, aber auch Stoff, der ganz allgemeine Fragen über den Nahostkonflikt und die Verhältnismäßigkeit von Aktionen anstößt. Dass The Honourable Woman dabei auch noch gut aussieht, versteht sich von selbst, die BBC hat hier mal wieder keine Kosten und Mühen gescheut, dafür weltweit auch großes Lob und Preise eingeheimst, darunter einen Golden Globe für Maggie Gyllenhaal.



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„The Honourable Woman“ nimmt uns mit in die Konfliktzone des Nahen Osten, in dem Intrigen und Verschwörungen an der Tagesordnung sind. Das hätte auch ein bisschen zurückhaltender sein dürfen, die Figuren dafür etwas stärker ausgearbeitet. Aber auch so wird reichlich Spannung geboten, darf spekuliert werden, wer, wie und warum hinter allem steckt.
7
von 10