Turbo Kid
© LFG 2015

(„Turbo Kid“ directed by François Simard, Anouk Whissell, Yoann-Karl Whissell, 2015)

Turbo Kid DVD
„Turbo Kid“ erscheint am 13. November auf DVD und Blu-ray

Viel ist den Menschen nach der Apokalypse nicht geblieben: Sie leben in provisorischen Barracken, haben kaum mehr Wasser und sammeln den übrig gebliebenen Müll der früheren Zivilisation zusammen. The Kid (Munro Chambers) hat sich damit jedoch gut arrangiert, mehr als Superheldencomics und Musikkassetten braucht das Waisenkind nicht, um glücklich zu sein. Dass dem Einzelgänger dabei doch etwas fehlt, fällt ihm erst auf, als er Apple (Laurence Leboeuf) kennenlernt. Gemeinsam mit ihr und dem Cowboy Frederic (Aaron Jeffery) nimmt er es dann sogar mit dem fiesen Zeus (Michael Ironside) auf, ein Warlord, der mit eiserner Hand und viel Willkür über den Rest der Menschen herrscht.

Verrückte Welt: Als die drei Regisseure und Drehbuchautoren François SimardAnouk Whissell und Yoann-Karl Whissell seinerzeit versuchten, mit ihrem Beitrag T is for Turbo einen Platz in der Horroranthologie ABCs of Death unterzukommen, mussten sie sich einem anderen Wettbewerber geschlagen geben. Dafür jedoch durften sie einen ausgewachsenen Film aus der Idee machen. Und dieser ist der mäßigen Sammlung aus dem Jahr 2012 nicht nur heillos überlegen, Turbo Kid gehörte dieses Jahr sogar zu den großen Überraschungen und Publikumsfavoriten des Fantasy Filmfests.

Ein bisschen älter sollte man aber schon sein, um den Film auch wirklich zu schätzen zu wissen. Das liegt zum einen daran, dass das Trio bei der Gewaltdarstellung sich nicht unbedingt in Zurückhaltung übte: Da wird gemetzelt, abgeknallt und in Teile zerhackt, als ob es kein Morgen gäbe. Was hier auch durchaus der Fall sein könnte, schließlich spielt Turbo Kid in einer sehr lebensfeindlichen Zukunft, 1997 genau genommen. Eine dystopische Zukunftsvision, die in der Vergangenheit liegt? Allein das zeigt schon, dass man die eigene Geschichte nicht allzu ernst nahm, und der Zuschauer das ebenso wenig sollte.

Vielleicht war der Blick aber auch deshalb nach hinten gewandt, um so schamlos das eigene Retro- und Nostalgiebedürfnis zu befriedigen. Vergleichbar zu Star-Lord aus Guardians of the Galaxy läuft auch sein junger Weltenretterkollege ständig mit einem Walkman umher und lauscht der Musik der 80er. Für chartserprobte Lizenzmusik reichte es bei der Low-Budget-Produktion zwar nicht, dafür erfreuen feinste Synthieklänge Herz und Ohr des Publikums. Und auch sonst ist Turbo Kid eine einzige Liebeserklärung an drei Jahrzehnte zurückliegende Genrebeiträge.

Wer die nicht kennt oder allgemein jener Zeit gegenüber kritisch eingestellt ist, für den wird eine Menge des Reizes auf der Strecke bleiben. Aber auch dann darf man den so ungehemmt albernen und kindischen Film mögen, die beiden unwahrscheinlichen Helden ins Herz schließen. Anspruch? Nein, den braucht man nicht, sollte man hier auch besser weder an Inhalt noch an die Ausstattung haben; der Humor ist ebenso derb wie die zahlreichen Splatterszenen, oft auch völlig überzogen. Aber die richtige Stimmung vorausgesetzt, vielleicht auch die richtige Begleitung, ist Turbo Kid ein Paradebeispiel dafür, wie Trash auszusehen hat – die Freude am infantilen Unsinn ist so ansteckend, dass man sich irgendwann auch nicht mehr dafür schämt, hier unentwegt zu lachen.

Beinahe hätte es dafür auch den Fantasy Filmfest Fresh Blood Award für das beste Debüt gegeben. Der ging am Ende zwar an Shrew’s Nest, aber auch ohne Preis in der Tasche darf man sich hier glücklich schätzen, dass es der Film so schnell in die deutschen Kinos und die eigenen vier Wände geschafft hat.



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Die Retrodystopie um zwei Jugendliche im Kampf gegen einen Warlord ist billig, anspruchslos und derb – aber auch ein großer Spaß. Die Freude am infantilen und sehr blutigen Unsinn ist ansteckend, Bonuspunkte gibt es für die coole 80er-Jahre-Synthiemusik.
7
von 10