Mord im Pfarrhaus
© 1970 ZDF

Mord im Pfarrhaus (1970)

(„Mord im Pfarrhaus“ directed by Hans Quest, 1970)

Strassenfeger 46
„Mord im Pfarrhaus“ ist als Teil der Sammlung „Straßenfeger 46“ auf DVD erhältlich

Wer auch immer Oberst Hampton beseitigen würde, hätte der Welt einen großen Gefallen getan – darüber ist man sich in St. Mary Mead einig. Zu viele Menschen gibt es, dem der selbstgerechte Despot auf die Füße getreten ist. Und so ist dann auch keiner wirklich verwundert, als der alte Mann ermordet aufgefunden wird. Nur das wo und das wie sind seltsam: Erschossen im Pfarrhaus, am helllichten Tag, während der Pastor (Herbert Mensching) gerade unterwegs war. Wer könnte das gewesen sein? In der Dorfgemeinschaft gibt der Vorfall den Anlass zu allerlei Spekulationen, woran sich auch Fräulein Marple (Inge Langen) gerne beteiligt.

Das 1930 erschienene „Mord im Pfarrhaus“ mag nicht unbedingt der beste Roman von Agatha Christie sein, gehört aber allein deshalb schon zu den Klassikern der Queen of Crime, weil er der erste Großauftritt der Amateurdetektivin Jane Marple war. Aus diesem Grund hätte man erwarten können, dass er sich für Filmadaptionen anbietet. Und doch dauerte es 40 Jahre, bis sich jemand des Werkes annahm. Aber es ist nicht nur der Erstlingsbonus, welcher den Film bemerkenswert macht, auch andere Faktoren hier sind ungewöhnlich – und das nicht unbedingt im positiven Sinne.

Da wäre zum einen, dass Mord im Pfarrhaus keine englische Produktion ist, nicht einmal eine amerikanische, sondern eine deutsche und fürs hiesige Fernsehen entstanden ist. Namentlich angepasst wurde dabei jedoch nichts, Charaktere und Ort tragen nach wie vor englische Namen, nur dass aus „Miss“ Marple ein „Fräulein“ Marple wurde. Das ist nicht nur gewöhnungsbedürftig, sondern symbolhaft für einen Film, der sich grundsätzlich zwar eng an die Geschichte hielt, dabei aber die Atmosphäre des Ursprungsmaterials zu keiner Zeit einfangen kann. Die Geschichten um die scharfsinnige Altjungfer bestachen – anders als die mit Hercule Poirot – nie durch komplizierte Plots oder Exotik, sondern durch die Wiedergabe des dörflichen Lebens in England. Davon ist hier jedoch nichts zu spüren, Mord im Pfarrhaus ist durch und durch deutsch, lediglich die Etiketten verweisen auf die literarische Vorlage.

Dass der Film in der Hinsicht so schlecht funktioniert, liegt aber auch daran, dass nicht das Buch direkt als Vorlage diente, sondern das 1949 daraus entstandene Theaterstück. Treu jener Adaption spielt Mord im Pfarrhaus dann auch ausschließlich am Tatort, mit festen Kameraperspektiven. Die überzeugende, so lebendige Dorfatmosphäre, voller tuschelnder, neugieriger, skandallüsterner Menschen, welche die BBC-Fassung von 1986 mit Joan Hickson auszeichnete, die ist auf diese Weise natürlich schwieriger zu erreichen. Hier wirkt nichts natürlich, weder Schauort noch Figuren, Dialoge und Darstellungen sind holprig. Und dann wäre da noch die Fehlbesetzung der Marple: Inge Langen ist als Frau in den Mittvierzigern einige Jahrzehnte zu jung, ihre Figur wirkt wie eine furchtbar unsympathische Schullehrerin, die allen ihre Meinung aufdrückt. Ihre Schlussfolgerungen, die sie in den Büchern aufgrund ihrer Beobachtung des Umfelds und mittels Analogien zieht, fehlen hier. Eigentlich tut sie relativ wenig für die Ermittlung des Falls, tritt relativ selten auf, kommt am Ende dann aber doch auf die Lösung.

Das ist nicht nur unbefriedigend, sondern auch wenig spannend. Wo Atmosphäre und Charaktere versagen, da muss die Geschichte einen Film tragen. Und das tat sie im Original schon eher schlecht: Es fehlen die Ereignisse, welche einen ans Geschehen fesseln, trotz einiger Ablenkungsmanöver. All dies zusammen führt dazu, dass Mord im Pfarrhaus eine der schlechtesten Agatha-Christie-Filme überhaupt ist – langweilig, konstruiert, lieblos. Wenn überhaupt, dann ist die Adaption nur aufgrund ihres kuriosen Rahmens sehenswert. Wer dabei gleichzeitig aber auch gut unterhalten werden möchte, findet eine Vielzahl besserer Möglichkeiten, sei es nun mit Miss Marple oder ohne.



(Anzeige)

Eine deutsche Miss Marple? Das ist so kurios, wie es sich anhört, bei „Mord im Pfarrhaus“ treffen englische wie deutsche Elemente aufeinander, ohne dass irgendetwas passen würde. Der fehlende Charme führt zusammen mit der ohnehin nicht besonderen Geschichte dazu, dass der sterbenslangweilige TV-Film zu den schlechtesten Agatha-Christie-Adaptionen überhaupt zählt.
3
von 10