Die Sprache des Herzens

Die Sprache des Herzens

(„Marie Heurtin“ directed by Jean-Pierre Améris, 2014)

Die Sprache des Herzens
„Die Sprache des Herzens“ ist seit 21. Mai auf DVD und Blu-ray erhältlich

Sie kann weder hören noch sehen, kommunizieren schon einmal gar nicht: Die 14-jährige Marie (Ariana Rivoire) lebt aufgrund ihrer Taubblindheit in ihrer eigenen Welt, weigert sich mit anderen da draußen in Kontakt zu kommen, nur ihre Eltern lässt sie an sich heran. Doch auch die stoßen bei dem Wildfang irgendwann an ihre Grenzen und versuchen, Marie in einem Kloster unterzubringen, wo auch andere taube Mädchen wohnen. Die Skepsis ist groß, vor allem Oberin (Brigitte Catillon) möchte den Neuankömmling gleich wieder loswerden. Nur die junge Nonne Marguerite (Isabelle Carré) glaubt, dass hinter dem ungewaschenen und unbändigen Äußeren ein vernunftbegabtes Wesen wartet, befreit zu werden. Und so sieht es als ihre Berufung an, dem Kind zu helfen und die Zeichensprache allein aufgrund von Berührungen beizubringen.

Marie Heurtin, wer soll das denn sein? Während der Name hierzulande nur den wenigsten etwas sagen dürfte, ist die taubblinde Frau in ihrer Heimat Frankreich ungefähr das, was für uns Kaspar Hauser ist, und legte den Grundstein für die Erziehung anderer Menschen mit ihrem Schicksal. Deshalb konnte der Film in seiner Heimat auch einfach nach dem Mädchen benannt werden, hierzulande entschied man sich für das leicht kitschige Die Sprache des Herzens. Wer angesichts des Sujets und des Titels einen Großangriff auf die Tränendrüsen befürchtet, darf jedoch aufatmen: Die französische Produktion ist ein leises, angenehm unsentimentales Drama.

An manchen Stellen reicht es sogar für ein bisschen Humor, etwa wenn das wilde Mädchen durch die Gegend rennt, die ganzen Nonnen armerudernd und völlig verzweifelt hinterher. Da hier auch die Musik eine bewusst komische Note bekommt, könnten die Szenen direkt aus einer Sketch-Comedy entnommen sein. Aber natürlich liegt der Schwerpunkt woanders, genauer auf dem sich langsam vertiefenden Verhältnis zwischen den beiden Frauen. Wenn Marie nach anfänglichem Misstrauen sich langsam an andere Menschen herantastet und auch sie in ihr Leben lässt, geht einem das auch über hundert Jahre nach den Ereignissen zu Herzen, zumal beide Darstellerinnen hierbei einen fantastischen Job machen. Und der Moment, in dem Marie das erste Mal die Verbindung zwischen einem Objekt und der Gebärdensprache herstellt, ist von Regisseur Jean-Pierre Améris so effektiv in Szene gesetzt, dass sich die Freude der beiden mühelos auch auf die Zuschauer überträgt.

Schwierig ist allein, dass Améris gerade einmal 95 Minuten Zeit hat, um darin die viele Jahre andauernde Ausbildung Maries einfangen zu wollen. Dass es so zwangsläufig zu sehr großen Sprüngen kommt ist klar, nachdem ein Großteil des Films den Schwierigkeiten der Erziehung gewidmet ist, geht es später aber schon ein bisschen zu schnell. Wenn Marie irgendwann verstanden hat, was Messer bedeutet und wie man es anwendet, ist das noch nachvollziehbar. Dass ihr Vokabular später aber auch so komplexe Themen wie Liebe und Tod umfassen soll, ist nach dem Geschehen zuvor kaum vorzustellen. Spannend wäre das sicher gewesen, aber eben auch schwierig, weshalb sich Améris lieber an die plakativeren Stellen und eine recht herkömmliche Dramaturgie hält. Das ist vielleicht nicht übermäßig ambitioniert, funktioniert aber so gut, dass Liebhaber leiser Dramen definitiv einmal mit Die Sprache des Herzens liebäugeln sollten.

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Ein taubblindes Mädchen lernt die Gebärdensprache und Vertrauen zu anderen Menschen, das klingt nach einem hohen Kitschrisiko. Tatsächlich ist das auf einer wahren Geschichte basierende Drama zwar bewegend, insgesamt aber leise und ohne viel Sentimentalität. Da die Geschichte auch noch fantastisch gespielt wurde, sieht man gern darüber hinweg, dass es zum Schluss wie so oft ein bisschen sehr schnell geht.
7
von 10