Blue Ruin
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Blue Ruin

(„Blue Ruin“ directed by Jeremy Saulnier, 2013)

Blue Ruin
„Blue Ruin“ ist seit 14. April auf DVD und Blu-ray erhältlich

Er lebt von dem, was er findet, isst aus Mülltonnen, nimmt in fremder Leute Häuser ein Bad: Seit dem Mord an seinen Eltern ging es für Dwight (Macon Blair) ständig bergab, tief traumatisiert hält er sich von anderen Menschen fern. Bis er eines Tages erfährt, dass eben jener Mörder wieder auf freien Fuß kommt. Für Dwight ist dieser Gedanke unerträglich und so macht er sich auf den Weg, um selbst für Gerechtigkeit zu sorgen. Doch damit beschwört der Einzelgänger eine Katastrophe hervor, die er nicht mehr unter Kontrolle bringt.

Rachethriller ist nun sicher kein Genre, das unter mangelndem Nachwuchs zu leiden hat, in der letzten Zeit erlebten die meist blutigen One-Man-Shows gerade im amerikanischen Kino eine ungeahnte Renaissance. Auch Blue Ruin fällt prinzipiell in diese Sparte und ist doch ganz anders. Wo sich sonst ehemalige Soldaten, Auftragsmörder oder Geheimagenten durch eine Schar von Gegner meucheln, ist Dwight das personifizierte Nichts. Verdrängte Erinnerungen und Schmerz bestimmen sein Inneres, seine Persönlichkeit wird nur noch durch Instinkte zusammengehalten.

Wenn sich ein solcher Mensch ausgebufften Gangstern entgegenstellt, sehen die Siegchancen tendenziell eher schlecht aus. Und tatsächlich, ähnlich zu To Kill A Man überrascht Blue Ruin damit, wie wenig souverän der Möchtegernkiller eben agiert: Er schießt aus zwei Meter Entfernung vorbei, kann eine Waffe nicht bedienen, lässt Gegenstände am Tatort zurück. So wie es einem normalen Mitbürger nun mal aller Wahrscheinlichkeit nach ergehen würde, wenn er sich auf einmal als Mörder versucht.

Daraus hätte man leicht eine schwarze Komödie machen können, aber Regisseur und Drehbuchautor Jeremy Saulnier machte aus diesem Stoff in erster Linie einen tragischen Film über einen Mann, der teils aus eigenem Willen, teils durch unglückliche Umstände am Abgrund steht. Darüber lachen kann man sicher, vor allem wenn sein Schulfreund Ben (Devin Ratray) später hinzu kommt, der wie eine Karikatur auf den waffenbegeisterten Durchschnittsamerikaner wirkt. Doch es ist ein Lachen, das eher Schmerz bringt denn Befreiung.

Die Rolle des mordenden Obdachlosen übernahm Macon Blair, der ansonsten so aussieht, als könne er kein Wässerchen trüben. Und genau darin liegt auch die Stärke, denn so verkörpert er eindringlich und glaubhaft das Leben eines Mannes, dessen Leben schon vor Jahren außer Kontrolle geriet, in dessen Gesicht sich Verzweiflung und Verwirrung zu gleichen Teilen widerspiegeln. Glaubhaft trifft auf die Geschichte an sich hingegen weniger zu, dafür ist das Grundkonstrukt und auch so manche Wendung einfach ein bisschen zu weit hergeholt. Und ein bisschen schade ist es auch, dass der dramatische Aspekt später wieder fallengelassen wird, Blue Ruin doch noch zu einem reinen Rachethriller wird.

Bis es so weit ist, ist der Beitrag vom letztjährigen Fantasy Filmfest aber eine faszinierende und packende Gratwanderung. Eben weil Dwight kein Supermann ist, hält sich die Spannung auf einem hohen Niveau, unterstützt von einer Musik, die mal sphärisch, dann wieder bedrohlich brummend ist. Und auch mit den vielen kunstvollen Detailaufnahmen bleibt Blue Ruin in Erinnerung. So sehr, dass man sich den Namen Saulnier merken sollte, denn da könnte noch einiges kommen.



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Eine abgebrühte Kampfmaschine ist der Protagonist von „Blue Ruin“ sicher nicht, eher ein emotionales und unsouveränes Wrack. Doch das macht den Rachethriller so spannend und erfrischend anders, auch die Inszenierung und die Leistung des Hauptdarstellers sind auf einem hohen Niveau. Leider werden die tragischen Aspekte später wieder fallengelassen allzu, glaubwürdig ist der Film auch nicht gerade.
7
von 10