Schaendung
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Schändung

(„Fasandræberne“ directed by Mikkel Norgaard, 2014)

Schaendung
„Schändung“ läuft ab 15. Januar im Kino

Der Einstand ist gelungen: Eigentlich hätte die Sonderabteilung Q für ungelöste Fälle nur ein Abstellgleis für den schwierigen Polizisten Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) werden sollen. Doch nachdem er und sein Assistent Assad (Fares Fares) tatsächlich erfolgreich waren, türmen sich die Aufgaben und Anfragen. Eine davon kommt von einem sichtlich betrunkenen Mann, der Carl eines Abends auflauert, jedoch sofort abgewiesen wird. Was der Vizekriminalkommissar am nächsten Tag bereuen soll, denn der Unbekannte nimmt sich das Leben. Bei der Untersuchung stellt sich heraus, dass er selbst früher Polizist war und offensichtlich den Mord an seinen beiden Kindern nie überwunden hatte. Der Täter wurde damals zwar schnell gefunden, von dessen Schuld war der Ex-Kollege aber nie überzeugt. Und auch Carl kommen nun langsam Zweifel, ob seinerzeit wirklich der richtige geschnappt wurde.

Über 700.000 Zuschauer für das schwedische Original, knapp 900.000 für das US-Remake – angesichts solcher Besucherzahlen von Verblendung verwundert es nicht weiter, wenn auch andere von dem Hype um Skandinavien-Thriller profitieren wollen. So ganz ging der Plan bei Erbarmen, der ersten Verfilmung eines Jussi-Adler-Olsen-Romans, jedoch nicht auf. Etwas mehr als 200.000, das ist für einen dänischen Film hierzulande sicher ordentlich, von Blockbuster-Gefilden wie bei den Büchern des Erfolgsautors ist man hier jedoch ein ganzes Stück entfernt. Und daran wird sich bei der Fortsetzung Schändung eher nichts ändern, zumindest wenn man die Qualität des Ergebnisses zur Basis nimmt.

Die Stärken des zweiten Abenteuers von Carl Mørck sind dabei denen des ersten aus dem letzten Jahr sehr ähnlich. Düstere Bilder von weitläufigen Wäldern, dem Kellermuff von Q und den dreckigen Straßen werden den hellen, klinisch reinen Gemächern der Wirtschaftselite gegenüber gestellt. Doch schaut man hinter deren Fassade, bieten sich furchterregende Anblicke von Grausamkeit und Dekadenz, Menschen, die aus purer Langeweile anderen das Leben zur Hölle machen. Schändung wirft sich mitten hinein in diesen Abgrund, bleibt kein distanzierter Beobachter, denn Auswege finden sich hier kaum.

Und das gilt nicht nur die Verbrecher, auch Carl eignet sich denkbar schlecht als Vorbild: Er raucht wie ein Schlot, trinkt zu viel, ist außer Stande zu lächeln, vernachlässigt seinen Sohn und allgemein sozial inkompetent. In kleinen Episoden zeichnet der Film so ein trostloses, atmosphärisch dichtes Bild einer dänischen Gesellschaft, die sich selbst verloren hat. Lichtblicke? Die gibt es allenfalls im erweiterten Umfeld. Wie schon in Erbarmen sorgen die zuweilen bissigen Dialoge von Carl und Assad für Comic Relief, auch deren tüchtige neue Assistentin Rose Knudsen (Johanne Louise Schmidt) bringt frischen Wind in die abgestandene Kellerluft.

Während sich der dänische Thriller wieder durch seine hervorragend inszenierte Verpackung hervortut, und auch die Besetzung bis in die kleinsten Rollen erneut geglückt ist, hapert es mal wieder am Inhalt. Schon Erbarmen krankte daran, dass viel zu früh klar war, was geschehen ist und wer dahinter steckt. Bei Schändung wird dann erst gar nicht so getan, als gäbe es Rätsel zu lösen. Wer die Täter sind, wird schon zu Beginn verraten, spätestens zur Mitte des Films wurde alles über den Fall gesagt, was es zu sagen gibt. Die Frage ist zu dem Zeitpunkt nicht mehr, was sich in der Vergangenheit zugetragen hat, sondern wie die Täter der Gerechtigkeit zugeführt werden.

In einem rasanten Actionfilm mag dies noch funktionieren, bei einem derart gemächlichen Thriller wie hier jedoch weniger. Eine wirkliche Spannung gibt es in der zweiten Hälfte dadurch nicht mehr, sämtliche Informationen, die mit Hilfe von Flashbacks hinzugefügt werden, bestätigen nur, was vorher schon bekannt war. Zudem hat das kunstvoll aufgebaute Drumherum zum Ende hin unter der zunehmend unsinnigen Geschichte zu leiden, in der sich irgendwann niemand mehr plausibel verhält, nicht einmal versucht wird, den Anschein von Glaubwürdigkeit zu bewahren. Wer damit keine Probleme hat, mehr Wert auf Atmosphäre und kaputte Figuren legt, der darf sich auch hier fesseln lassen, wenngleich der erste Auftritt insgesamt stimmiger war. Aber vielleicht sind ja aller guten Dinge drei, denn Erlösung, die Verfilmung des dritten Falls,  ist bereits in Planung.



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Der zweite Fall von Carl Mørck schließt dort an, wo „Erbarmen“ aufhörte. Auch dieses Mal dürfen sich Fans von skandinavischen Thrillern auf eine dichte, düstere Atmosphäre und abgründige Figuren freuen. Inhaltlich ist „Schändung“ jedoch weniger spannend: Das meiste wird vorzeitig verraten, zum Schluss wird es sogar erschreckend unsinnig.
5
von 10