Science of Sleep – Anleitung zum Träumen

Science of Sleep – Anleitung zum Träumen

(„Science of Sleep – Anleitung zum Träumen“ directed by Michel Gondry, 2005)

Science of Sleep – Anleitung zum TräumenAm Himmel ziehen fluffige Wolken aus Watte vorbei – wortwörtlich –, aus dem Wasserhahn tropft es Zellophanpapier, die Autos auf der Straße bestehen aus Pappmaché. Ein Tag wie jeder andere im Leben von Stéphane (Gael García Bernal). Auch wenn vieles davon für Außenstehende nicht real wirkt, für ihn ist dieses Nebenher von Fantasie und Wirklichkeit kein großer Widerspruch. Umso größer dann der Schock, als er bei seiner neuen Arbeit feststellen muss, was Wirklichkeit eigentlich bedeutet. Bilder wollte er für einen Kalender malen, große Bilder voller Katastrophen. Flugzeugabstürze, Erdbeben. Unverkäuflich, schmettert ihn sein Chef ab. Die Kunden wollen lieber kleine Welpen oder nackte Frauen sehen. Außerdem war Stéphane ohnehin nicht für die kreative Arbeit auserkoren, sondern für die bloße Beschriftung der Blätter.

Die wenig erquickliche Aufgabe ist aber nicht der einzige Grund, warum der junge Mann nicht so ganz regelmäßig bei der Arbeit auftaucht. Denn da gäbe es auch noch zwei hübsche Damen, die den Geist des Träumers mächtig verwirren, mehr noch als sonst, und ihn so von seiner Tätigkeit abhalten. Da wäre zum einen seine Nachbarin Stéphanie (Charlotte Gainsbourg), die ihm in Fantastereien in nichts nachsteht. Aber auch deren Freundin Zoe (Emma de Caunes) hat es ihm mächtig angetan. Und so träumt er mal von der einen, mal von der anderen, ohne wirklich zu wissen, was er will. Und oft, ohne zu wissen, wo er überhaupt gerade ist.Science of Sleep – Anleitung zum Träumen Szene 1

Liebeskomödien gibt es viele, in Deutschland, in den USA und in Frankreich erst recht. Wie man trotz dieses Überangebots schafft, aus der Masse herauszuragen, zeigte der französische Regisseur und Drehbuchautor Michel Gondry vor einigen Jahren. Ein Mann, der zwei Frauen kennenlernt, aber sich nicht für die entscheidet, die ihm ähnlich ist … ja, ja, wir wissen, wie es weitergeht. Oder eben doch nicht. So ganz nach dem üblichen Schema funktioniert Science of Sleep – Anleitung zum Träumen im weiteren Verlauf nämlich nicht.

Doch nicht nur inhaltlich, vor allem formal weicht der französische Film stark von dem Gewohnten ab. Er habe schon immer Probleme damit gehabt, seine Fantasie von der Realität zu unterscheiden, lässt uns Stéphanes Mutter Christine (Miou-Miou) später wissen. Und auch für den Zuschauer wird es manchmal schwierig, diese Unterscheidung noch zu treffen. Passiert das gerade wirklich oder sind wir in seinem Kopf? Eindeutig ist das nur, wenn Stéphane im Film träumt – was er recht oft tut – und in diesen Träumen seinen Alltag verarbeitet. Dann tauchen zwar bekannte Personen auf, vertraute Orte, aber alles ist deutlich verändert.

Im Gegensatz zu Inception etwa, wo die Träume sehr realistisch gehalten sind, haben sie hier etwas bewusst Märchenhaftes an sich. In solchen Momenten rennt Stéphane etwa mit Riesenhänden durch die Gegend, Gegenstände bewegen sich per Stop-Motion-Verfahren, statt realer Landschaften oder Gebäude befinden sich offensichtliche Attrappen im Hintergrund. Diese surrealen Einschübe sind witzig und bizarr zugleich, Segen und Fluch von Science of Sleep – Anleitung zum Träumen.Science of Sleep – Anleitung zum Träumen Szene 2

Auf der einen Seite sorgen sie für Abwechslung und haben ihren eigenen, sehr speziellen Charme. Auf der anderen Seite wird durch die ständigen Verrücktheiten der Zugang zu Stéphane erschwert. Wer Liebeskomödien schaut, um sich mit den Hauptfiguren zu identifizieren und gemeinsam ein Happy End erleben zu dürfen – das ist hier schwierig. Wer das aber gar nicht braucht, wird schon bald dem Zauber dieses Träumers erliegen. Umso schöner, dass der Film kürzlich wieder neu aufgelegt wurde. Ein Tipp übrigens: unbedingt im Original anschauen. Dort wird im ständigen Wechsel mal Französisch, dann Englisch, manchmal auch Spanisch gesprochen. Und dieses Kauderwelsch passt wunderbar zu einem Film, der das Gefühlschaos zweier junger Menschen thematisiert.



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Michel Gondry zeigt in Science of Sleep – Anleitung zum Träumen, dass Liebeskomödien auch ganz anders sein können: märchenhaft, unvorhersehbar und dabei dennoch charmant. Einziger Nachteil: Für manche mag die Hauptfigur zu sonderbar und damit unnahbar sein, um wirklich mitfühlen zu können.
7
von 10