Angels' Share - Ein Schluck für die Engel

Angels’ Share – Ein Schluck für die Engel

(„The Angels’ Share“ directed by Ken Loach, 2012)

Angels' Share - Ein Schluck für die Engel„Die Whisky-Komödie des Jahres“ prangt groß auf dem Cover von Angels’ Share – Ein Schluck für die Engel. Doch so ganz stimmt das eigentlich nicht. Bevor der Whisky eine größere Rolle in der Handlung einnimmt, ist der irische Film bereits zur Hälfte vorbei. Stattdessen ist der erste Teil vor allem dem Hintergrund von Robbie (Paul Brannigan) gewidmet, seiner Lebensgeschichte – und die ist alles andere als lustig.

In nur wenig stabilen Verhältnissen aufgewachsen, ist der Glasgower ein Dauergast bei der Polizei. Meistens sind es Prügeleien, die ihn in Konflikt mit der Obrigkeit bringen. Zu Beginn des Films ist es mal wieder so weit: Er steht vor dem Richter, nachdem er mit anderen nicht minder gewaltbereiten Jugendlichen aneinandergeraten ist – diverse klaffende Wunden inklusive. Und eigentlich gibt es keinen triftigen Grund, der Robbie jetzt noch vorm Gefängnis bewahren könnte. Wäre da nicht seine hochschwangere Freundin Leonie (Siobhan Reilly). Nur wenige Tage sind es noch, bis das gemeinsame Kind auf die Welt kommen wird. Und so drückt der Richter – wider besseren Wissens – doch noch mal ein Auge zu und verdonnert den Übeltäter „nur“ zu gemeinnütziger Arbeit.

Angels' Share - Ein Schluck für die Engel Szene 1

Von nun an nimmt ihn Sozialarbeiter Harry (John Henshaw) unter seine Fittiche, stellt Robbie weiteren Verlierern der Unterschicht vor und führt ihn die sinnliche Welt des Whiskys ein. Dabei stellt sich Robbie als überaus begabt heraus, kann im Gegensatz zu den anderen tatsächlich die Herkunft des Tropfens herausschmecken. Und durch Harry erfährt er auch vom sogenannten „Angels’ Share“, der Anteil eines Whiskys, der im Laufe der jahrelangen Lagerung einfach verdunstet. Das bringt ihn auf eine Idee: Warum nicht von einem besonders wertvollen Exemplar ein bisschen was abzwacken und an steinreiche Whiskyliebhaber verkaufen? Von dem Geld könnte Robbie vielleicht wirklich einmal mit seiner neuen kleinen Familie einen Neustart wagen.

Ein Herz für Verlierer und Außenseiter sollte man schon haben, um Angels’ Share mögen zu können. Denn so ganz kann sich Regisseur Ken Loach nicht entscheiden, was er eigentlich mit dem Film will. Oft zielt er mit seinen ebenso schillernden wie vertrottelten Protagonisten aufs Zwerchfell. Genauso oft zeigt er aber auch deren Ausweglosigkeit, dass gute Absichten manchmal einfach nicht ausreichen, wenn einem die Chancen verwehrt werden – die Unterschicht als Schicksal, weniger als Entscheidung. Das kann manchmal äußerst bewegend sein, etwa als Robbie mit einem seiner Opfer konfrontiert wird, den er brutal zusammengeschlagen hatte.Angels' Share - Ein Schluck für die Engel Szene 2

Eine vergleichbar große Intensität erreicht der Film sonst selten, ansonsten ertrinken die Ansätze zur Sozialkritik meist wieder in slapstickhaften und nur mäßig komischen Szenen. Am Ende kommt dann noch der launige Einbruch dazu. Richtig geglückt ist diese Mischung aber nicht und man wünscht sich, Loach hätte mehr darauf geachtet, wie die einzelnen Elemente zusammenpassen – oder sich eben auf eins konzentriert. Was Angels’ Share noch rettet, sind seine sympathischen Figuren und deren warmherzige Inszenierung. Allen voran der gutmütige Harry, der nicht müde wird, an das Gute in anderen zu glauben, und natürlich Robbie selbst. Das ist umso beeindruckender, weil Paul Brannigan – der Mann dahinter – im Grunde ein Laiendarsteller ist, der dieses Milieu selbst gut kennt. Er ist damit das beste Beispiel dafür, dass man mit ein wenig Glück doch der Unterschicht entkommen und sein Happy End finden kann – im Leben wie im Film.



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Angels’ Share – Ein Schluck für die Engel ist eine Mischung aus alberner Klamotte und Sozialdrama, dessen einzelnen Bestandteile sich nicht wirklich zusammenfügen. Wer Außenseitergeschichten mag, findet jedoch diverse gute Szenen und sympathische Figuren.
5
von 10