In The Bedroom

In the Bedroom

(„In the Bedroom“, directed by Todd Field, 2001)

Ever notice that even the worst bastards have friends?”

Das Telefon in der Praxis von Dr. Fowler (Tom Wilkinson) klingelt. Es ist das Schicksal. Unter den eindringlichen Klängen eines osteuropäischen Chores wandert er über die endlosen Flure, während sich sein Leben schlagartig verändert und er mit dem Schock fertig zu werden versucht. In the Bedroom war Todd Fields (Little Children) Spielfilmdebüt. Es ist eine atmosphärische Studie geworden mit großartigen Schauspielern, ein stilles Drama, das sich aus drei Teilen zusammensetzt, wobei das größte Problem dieses so gepriesenen modernen amerikanischen Films ist, dass Field diese drei Teile nur sehr schwer zu einem überzeugenden Ganzen zusammenfügen kann. Der erste Teil besteht aus der Schilderung der Beziehung zwischen Frank Fowler (Nick Stahl) und Natalie Strout (Marisa Tomei). Letztere ist eine noch verheiratete Frau mit zwei Kindern, während ihr neuer Liebhaber ein High School-Absolvent ist, der gerade die 20 überschritten hat.

Für beide ist das kein Problem, wohl aber für Franks Mutter Ruth (Sissy Spacek). Obwohl sie es genießt, ihren Sohn glücklich zu sehen, hat sie Zweifel an dieser Beziehung, die sich noch verstärken, als ihr Sohn sie zu beruhigen versucht, dass es nichts Ernstes, sondern nur ein „Sommerding“ sei. Die größte Stärke dieses Films besteht wahrscheinlich aus diesen gestörten Kommunikationen, aus ständigem Aneinander vorbeireden und sich widersprechen. Das bleibt dem Zuschauer nicht verborgen, dem in diesem Versuch von einem Gespräch klar wird, wie unreif Frank ist, in dem seligen Glauben, seine Mutter mit dem „Sommerding“ zu beruhigen.

Das Gegenteil ist der Fall, doch das ist ihm nicht bewusst. Er hat auch kein Gefühl für das Seelenleben  seiner Mutter. Niemand in diesem Film scheint ein Gefühl für das Empfinden der Anderen zu haben – außer Natalie, eine liebende Mutter, deren Herz der sympathische Frank gebrochen hat und die verzweifelt versucht, es allen Recht zu machen. Doch da ist auch ihr Ex-Mann Richard (William Mapother), der sie noch immer liebt und zurück haben will. Das tut er nicht mit netten Gesten, sondern mit Gewalt. Er zerstört ihre Wohnungseinrichtung, er schlägt sie, er verprügelt ihren jungen Liebhaber, der sich weigert, die Polizei zu verständigen. All das ist so, wie man es erwartet, wie man es aus dem Leben kennt – der verliebte und vor allem unreife Jüngling und seine streng rationalen Eltern. Langsam aber sicher steuert ihr Leben auf eine Katastrophe zu, aus der es kein Entkommen gibt…

Der zweite Teil beginnt, in dem alle Beteiligten versuchen, mit der Tragödie fertig zu werden. Aber Todd Field braucht zu lange, um klarzumachen, wohin sein Film von nun an steuern will. Es ist das Problem, das viele Filme haben, die noch nicht wissen, was ihr nächstes Ziel ist, nachdem ein Schlüsselmoment stattgefunden hat. Doch In the Bedroom entwickelt sich, er bleibt nie stehen. Es geht um Trauer, Wut, Verzweiflung, Beschuldigungen, Zusammenbrüche. In the Bedroom steuert die nächste Ebene an, den dritten Teil. Die Opfer werden zu Tätern, der Kreis schließt sich. Weiterentwicklung im Film ist etwas Positives, doch in dieser Hinsicht ist Todd Field zu überambitioniert, denn seine Charakterstudie wird nie sesshaft, bleibt nie bei einem Problem und konzentriert sich darauf.

Stattdessen kommen neue Aspekte hinzu und alte Themen und Figuren, wie etwa eine verführerische Marisa Tomei geraten in Vergessenheit, der Film wird ruhelos. Im finalen Akt bewegt sich der Regisseur schließlich eng an der Grenze der Glaubwürdigkeit und das Finale unterstreicht den hohen künstlerischen Anspruch, den Field mit diesem Werk erreichen wollte, aber nur teilweise einhalten kann. Er weiß, seine Schauspieler zu führen, wenn Sissy Spacek ihre beste Darstellung seit Langem abliefert und in Tom Wilkinson einen hervorragenden Mit- und Gegenspieler gefunden hat, denn dies ist ein Werk, indem es ein Miteinander kaum zu geben scheint. Die Charaktere widersprechen sich ständig, sie reden aneinander vorbei, schreien sich an, sind anderer Auffassung. Wenn sie nichts sagen, sprechen die tristen Bilder, in dem die unwichtigsten Tätigkeiten eines Menschen nach einem schweren Schicksalsschlag zu bedeutungsvollen Mini-Szenen werden.

In the Bedroom hat seine klaren Stärken in einzelnen, ausdrucksstarken Szenen und zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie Vorkommnisse die Sicht auf andere Menschen verändern können. Doch das ist kein neues Thema in der Filmgeschichte. Muss es auch nicht sein, wenn Todd Field sich ganz auf die schauspielerischen Qualitäten seiner Darsteller verlässt, die diese verlässlich abliefern können. In stummen und doch vielsagenden Blicken ist Field mit seiner Demonstration der veränderten Sichtweise wenig zurückhaltend, sondern sehr auffällig und offensichtlich, fast an der Grenze zum Plakativen. Doch man verzeiht ihm das aufgrund der starken Atmosphäre, die nach jedem Teil des Films auseinander zu brechen droht, da er nie bei einem Thema hängen bleibt. Und wenn man denkt, nun liegen alle Voraussetzungen zu einer eingehenden Betrachtung dieser Familie vor einem gibt es einen radikalen Schnitt und den Abspann. Vorbei.

In the Bedroom ist ein in vielen Aspekten gelungener Film. Der Regisseur hat seine großartigen Darsteller im Griff, die Bilder sprechen für sich, Diskussionen schaukeln sich aufgrund des aneinander Vorbeiredens bis zum Kollaps hoch und auch das in-der-Luft-hängen am Anfang des zweiten Teils könnte man Field aufgrund der starken Atmosphäre verziehen. Doch dieser Film funktioniert als großes Ganzes nur teilweise. Zu sprunghaft ist er mit seiner Vorlage, mit der er sich zu viel vorgenommen hat. Für einen durchgehend überzeugenden Film ist entweder der zweite Teil zu lang oder der dritte komplett überflüssig, wenn er seine Personen aus sich ausbrechen lässt, ganz egal, für wie glaubwürdig der Zuschauer das befindet. Mit dieser Inszenierung besteht der inkohärente In the Bedroom aus drei Genres, die nicht miteinander vermischt werden, sondern einander folgen, ohne eine Symbiose einzugehen.



(Anzeige)

7
von 10