The Game 1997
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The Game (1997)

The Game 1997
„The Game“ // Deutschland-Start: 20. November 1997 (Kino) // 3, Juli 2002 (DVD)

Inhalt / Kritik

Nicholas Van Orton (Michael Douglas) ist ein wohlhabender Investmentbanker aus einer sehr vermögenden Familie. Wenn er nicht auf Geschäftsreise oder im Büro ist, verbringt er seine Zeit meist allein – was ihm durchaus recht ist. Auch die Einladung seines Bruders Conrad (Sean Penn) zu einem gemeinsamen Essen anlässlich seines 48. Geburtstags nimmt er nur widerwillig an. Als Geschenk überreicht ihm Conrad einen Gutschein der Firma CRS, die ihren Klienten ein besonderes „Spiel“ verspricht. Zunächst weist Nicholas das Angebot zurück, doch schließlich siegt seine Neugier, und er unterzieht sich dem umfangreichen, psychisch wie intellektuell fordernden Testverfahren der Firma. Einige Tage später erhält er jedoch die Nachricht, er sei für das Spiel ungeeignet.

Kurz darauf häufen sich merkwürdige Vorkommnisse in seinem Alltag. Zuerst sind es harmlose Irritationen wie ein auslaufender Kugelschreiber, dann jedoch scheint ein Fremder in sein Haus eingedrungen zu sein. Schließlich teilt CRS ihm mit, sein „Spiel“ habe begonnen – und bald gerät sein Leben vollständig aus den Fugen. Nur die Kellnerin Christine (Deborah Kara Unger) scheint mehr über CRS und dessen rätselhafte Aktivitäten zu wissen. Doch mit jedem weiteren Tag wird das vermeintliche Spiel gefährlicher, und Nicholas muss bald um sein Leben fürchten.

Das ideale Ziel

In den 1990er-Jahren begann die Karriere von Regisseur David Fincher, und für viele Fans gelten seine Filme aus dieser Zeit als seine besten. Dabei meint man vor allem Sieben und Fight Club, die wegen ihrer Ästhetik, ihrer dichten Handlung und ihrer Sicht auf Gesellschaft und Wirtschaft bis heute gefeiert werden. Zwischen diesen beiden Werken steht The Game von 1997 – ein Film, der manchmal vergessen wird und gemeinhin nicht denselben Status genießt wie die bereits genannten Werke. Vielleicht liegt es an der Herangehensweise Finchers, der The Game immer wieder als eine Art Experiment bezeichnete, wie weit er es mit dem Publikum treiben könne. Dabei bezog er sich in erster Linie auf die teils absurden Episoden, die dem Helden widerfahren und die er manchmal nur um Haaresbreite überlebt. Aus heutiger Sicht wirken diese Episoden jedoch keineswegs absurd, sondern sie passen in eine Welt des Reality-TV, der Manipulation der Realität sowie der großen Unsicherheit, die wir heute allgemein empfinden, wenn Institutionen und Status nicht mehr gelten.

In vielen Besprechungen zu The Game stößt man auf den Vergleich zwischen Nicholas Van Orton und Figuren wie Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens’ Eine Weihnachtsgeschichte. Nicholas ist wie Scrooge ein Vertreter des „alten Geldes“, was man schon an seiner herrschaftlichen Villa sieht, deren Umzäunung garantieren soll, dass niemand einen Einblick in das Leben der Bewohner erhält. Er ist einer, der sich im Hintergrund aufhält und von dort die Fäden zieht – wie man beispielsweise an seinem Umgang mit dem ebenfalls sehr vermögenden Anson Baer (Armin Mueller-Stahl), einem Vertreter der Generation von Nicholas’ Vater, sieht. Ein fast schon banaler Fehltritt ist für Van Orton Grund genug, Baer seine Kontrolle zu entziehen und damit seine Vormacht weiter zu manifestieren, was ihm sein Gegenüber auch subtil vorwirft. Jedoch ist es keineswegs Gier, die Nicholas antreibt – Kontrolle ist für ihn eine Art Gegenmittel zu all jenen Ereignissen auf der Welt, die nicht beeinflussbar sind, wozu natürlich andere Menschen gehören. Menschen erfüllen Funktionen, und wenn sie diese nicht mehr erfüllen können oder lediglich einen „emotionalen Wert“ haben, wie beispielsweise Conrad, muss man sich von ihnen distanzieren.

In Sieben erschuf Fincher eine kalte Welt, in der Empathielosigkeit ein universeller Zustand war, doch in The Game liegt sie in einem Trauma begründet, das einhergeht mit einem Verlust der Sicherheit, nämlich dem Freitod von Nicholas’ Vater. Van Orton tut alles, um diese Kontrolle niemals aufzugeben und der Verarbeitung des Traumas aus dem Weg zu gehen – was ihn zum idealen Ziel für CRS macht.

Über Menschen, die alles haben

Neben Scrooge bieten die Protagonisten Franz Kafkas viele Parallelen zu Finchers Helden in The Game. Michael Douglas spielt einen Menschen, dessen Routine, Struktur und Macht eine Form der Sicherheit und Geborgenheit bieten – er hat alles und doch nichts. Das Abendessen mit seinem Bruder ist nicht das erhoffte, warmherzige Wiedersehen, das sich Conrad vielleicht gewünscht hätte; es dient Nicholas vielmehr als Gelegenheit, seine Überlegenheit zu demonstrieren, wenn er danach fragt, ob sein Bruder Geldprobleme habe. In Conrads Blick liegt Frust, aber auch Mitleid mit seinem Bruder, dem er gerne helfen würde, an den er jedoch zu keiner Zeit herankommt. In Penns Figur spiegelt sich das Wissen um die Zerbrechlichkeit dieser Welt wider, die sein Bruder um sich aufgebaut hat. Genauso wissen wir als Leser um die Korruption und die Ausweglosigkeit der Helden Kafkas, was ihre Uneinsichtigkeit, Sturheit oder Schwäche schier unaushaltbar macht. Als Zuschauer ergeht es uns nicht anders als Conrad, der versucht, seinen Bruder wachzurütteln, dies aber nicht kann.

Die einzelnen Episoden, die Nicholas widerfahren, changieren dabei zwischen harmlos-absurd und gefährlich. Das Perfide an Finchers Inszenierung ist jedoch, dass man als Zuschauer – wie auch Nicholas selbst – nie einschätzen kann, ob eine Situation eine Gefahr darstellt oder ob es reicht, sie zu ignorieren. Mehr und mehr wird von der Mauer abgetragen, die Nicholas um sich herum errichtet hat, bis er nicht mehr dieser unnahbare Geschäftsmann ist, sondern einer von uns. Sein Niedergang wird gefilmt, aufgezeichnet und bis ins Detail inszeniert, doch zu keiner Zeit ist man sich über das Ausmaß der Inszenierung im Klaren. Man weiß noch nicht einmal, ob es überhaupt ein Spiel gibt.

Credits

OT: „The Game“
Land: USA
Jahr: 1997
Regie: David Fincher
Drehbuch: John Brancanto, Michael Ferris
Musik: Howard Shore
Kamera: Harris Savides
Besetzung: Michael Douglas, Sean Penn, Deborah Kara Unger, James Rebhorn, Armin Mueller-Stahl

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The Game (1997)
fazit
„The Game“ ist ein Thriller über Kontrollverlust und den Wegfall von Sicherheiten. David Fincher gelingt ein sehr moderner, beunruhigender und bisweilen sogar trauriger Film darüber, wie schnell man alles verlieren kann und wie illusorisch Kontrolle und Status sein können. Michael Douglas und Sean Penn spielen zwei sehr unterschiedliche Brüder – einer, der versucht, sein Trauma zu verarbeiten, und der andere, der sich davon distanziert.
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