
Es liegt eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass ausgerechnet der Pressetext zu einer Dokumentation über Kunstfälscher, welche unter anderem „der Frage [nachgeht], was ein Original im 21. Jahrhundert bedeutet.“, den Eindruck erweckt, selbst nicht unbedingt ein (menschliches) Original zu sein. Jener zu Manche mögen’s falsch weist Formulierungen auf, die vor wenigen Monaten noch fast exklusiv von neuronalen Netzen benutzt wurden und sich dank bestimmter Merkmale schnell identifizieren ließen. Diese haben in der Zwischenzeit den allgemeinen Sprachgebrauch unterwandert, weshalb auch ein komplett von einem Menschen verfasster Text wie ein KI-Erzeugnis wirken kann. Im vorliegenden Fall kommen selbst Programme, die eigens dafür erschaffen wurden, die Autorenschaft von Texten zu klären, zu keinem eindeutigen Ergebnis (nicht, dass das sonderlich viel Aussagekraft hätte).
Wenn das alles Absicht ist, handelt es sich um einen guten Marketinggag (wenn auch vielleicht für eine zu kleine Zielgruppe). Wenn nur jemand zu faul oder zu beeinflussbar war, funktioniert es trotzdem wunderbar für diese Dokumentation. Wenn der Rezensent komplett daneben liegen sollte, ist es auf der Metaebene immer noch passend. Hinweis: Der Pressetext liegt in mindestens drei verschiedenen Versionen vor (19. September 2025, 29. September 2025 und 2. Oktober 2025). Es kann also ebenso gut sein, dass die ursprüngliche Version von einem Menschen verfasst und dann mit Hilfe von KI überarbeitet wurde. Für die Mini-Exkursion hier wurde nur die neueste Fassung näher untersucht.
Ein Ort voller Kopien
Vor 1989 war das chinesische Fleckchen Erde namens Dafen nicht weiter erwähnenswert. Als dort dann aber ein findiger Geschäftsmann die erste Werkstatt gründete, in welcher dezidiert Gemälde berühmter Maler gefälscht wurden, dauerte es nicht lange, bis andere seinem Beispiel folgten und die Einwohnergemeinschaft damit letzten Endes weltweit zur unangefochtenen Nummer eins auf dem Gebiet heranwuchs. Der Begriff „Fälschung“ mag den Verdacht nahelegen, dass Manche mögen’s falsch illegale Tätigkeiten dokumentiert. Es handelt sich dabei allerdings um ganz normale Reproduktionen, die nicht als Originale heimlich an irgendwelche obskuren Sammler für Millionenbeträge verkauft werden, sondern an Hotel- oder Supermarktketten. Die Künstler in Dafen sind also näher an Otto Waalkes (Ganz große Kunst: 75 Meisterwärke) als an Wolfgang Beltracchi.
In Dafen werden nicht nur Bilder kopiert – in beiden Lesarten des Satzes. Einmal erhielten die Maler beispielsweise den Auftrag, ein Buch zu kopieren; so entstanden Gemälde aller Seiten des Buches Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit von Walter Benjamin. Sie kreieren aber auch ihre eigenen Werke. Einer etwa malt (als Teil eines Deals mit der Filmcrew) seine Frau. Ein anderer hat sich gemeinsam mit Vincent van Gogh in verschiedenen Szenarien verewigt. Ölgemälde haben in China keine Tradition. Wer etwas lernen möchte, ist gut damit beraten, erst einmal nachzuahmen. Das gilt fürs Filmemachen und anscheinend auch für die Malerei. Wahrscheinlich sogar für alles. In Dafen sitzen tausende Maler, die sich diese Kunst nach und nach angeeignet haben; es ist nicht unvorstellbar, dass in einigen Jahrzehnten originäre chinesische Ölgemälde internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen werden.
Lebendige Geschichten
Manche mögen’s falsch zeigt nicht nur viele Bilder, sondern lässt auch mehrere der Kopierer zu Wort kommen. Jener, der seine Frau malt, war früher Ohrenputzer (was hierzulande wohl eher mit einem Utensil assoziiert wird, in China aber tatsächlich ein Beruf ist). Andere wollten schon immer Maler werden. Jeder hat seine ganz eigene Geschichte und sorgt dafür, dass die Dokumentation sich lebendig anfühlt. Was bei den Besprechungen von Dokumentationen noch etwas mehr unter den Tisch fällt als bei jenen von Spielfilmen, ist die Erwähnung des Sounddesigns. Bei den Innenszenen gibt es dazu wohl auch nicht so viel dazu zu sagen, aber das Weben des Klangteppichs bei den Außenszenen wird nicht so einfach gewesen sein, ist jedoch fraglos gelungen. Regisseur Stanislaw Mucha wäre allerdings kein Zacken aus der Krone gebrochen, wenn er das Voiceover einem professionellen Sprecher überlassen hätte; es outzusourcen ist ein Kniff, dessen Anwendung Regina Schilling (Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann) den meisten Dokumentarfilmern voraushat.
Letzten Endes werden „der Frage, was ein Original im 21. Jahrhundert bedeutet“ nur wenige der insgesamt neunzig Minuten Laufzeit gewidmet. Genügend aber dafür, dass der Zuschauer sich seine eigenen Gedanken dazu machen und sie im Freundeskreis debattieren kann. In der Dokumentation wird es nicht erwähnt, aber Kopien und Fälschungen eignen sich gut dazu, den Wert von Kunst zu hinterfragen. Nehmen wir jemanden, der ein Gemälde für ein Original hält und bereit ist, beispielsweise hunderttausend Euro dafür zu bezahlen. Sobald er erfährt, dass es sich um eine Nachschöpfung handelt, zieht er sein Angebot zurück – am Gemälde selbst hat sich rein gar nichts geändert, dennoch ist es plötzlich für ihn massiv im Wert gesunken. Manche mögen’s falsch deutet Gedanken in diese Richtung jedoch maximal an. Interessant wäre es, wenn der Ansatz in der Doku auch darüber hinaus noch weitergedacht worden wäre: Wenn das Kopieren eines Gemäldes (durch einen Menschen) in Ordnung und eine eigenständige Leistung ist, was ist dann mit KI-generierten Bildern?
OT: „Manche mögen’s falsch“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Stanislaw Mucha
Drehbuch: Stanislaw Mucha
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)












