Eigentlich ist die Universitätsprofessorin Sophia (Magalie Lépine-Blondeau) ja glücklich mit Xavier (Francis-William Rhéaume) liiert, seit zehn Jahren sind die beiden schon zusammen. Doch während es intellektuell zwischen den beiden sehr gut harmoniert, läuft schon seit Längerem im Bett nichts mehr bei ihnen. Ganz anders bei Sylvain (Pierre-Yves Cardinal). Eigentlich sollte der Handwerker nur das Haus auf Vordermann bringen, das Sophia und Xavier am See gekauft haben. Doch die Gelehrte fühlt sich zu dem einfachen Mann hingezogen. Zunächst ist das eine rein körperliche Angelegenheit, kann und soll nichts Ernstes sein. Je mehr Zeit die zwei aber miteinander verbringen, umso mehr wächst in ihr das Verlangen, wirklich mit ihm zusammen zu sein. Dafür verlässt sie ihren Partner sogar. Aber können zwei so unterschiedliche Menschen wirklich eine Beziehung führen?
Was braucht es für die Liebe?
Eigentlich ist die Kanadierin Monia Chokri ja primär als Schauspielerin unterwegs. Dieses Jahr ist sie beispielsweise in 15 Liebesbeweise zu sehen, das von einem Festival zum nächsten gereicht wird. Doch dann und wann versucht sie sich auch daran, selbst Regie zu führen. In Die Frau meines Bruders (2019) etwa erzählte sie von einer ganz besonderen Geschwisterbeziehung, welche durch das Auftauchen einer dritten Person durcheinandergewirbelt wird. Und auch in dem 2023 veröffentlichten, zwei Jahre später dann auch auf arte zu sehenden Die Natur der Liebe geht es um eine feste Beziehung, die sich ändert. Dieses Mal geht es aber um eine tatsächliche Liebesbeziehung, welche plötzlich in Frage gestellt wird, als sich eine echte Alternative auftut.
Aber ist sie das überhaupt? Chokri, die auch wieder das Drehbuch geschrieben hat, präsentiert zwei grundverschiedene Männer, die verschiedene Bedürfnisse in der Protagonistin befriedigen. Der erste tut das auf eine intellektuelle Weise, der andere auf eine körperliche. Dabei lässt die Filmemacherin aber offen, welche Variante denn nun die bessere ist. Die Natur der Liebe unterscheidet sich da von vielen anderen Liebeskomödien, wo dem Publikum gleich zu Beginn klargemacht wird, wer der Richtige für die Hauptfigur ist, selbst wenn sie das selbst nicht versteht. Hier hat man eher das Gefühl, dass keiner von beiden dafür in Frage kommt, es eher eine Mischung aus beidem bräuchte, damit das etwas werden kann.
Viele Fragen, kaum Antworten
Damit verbunden sind schon einige grundsätzliche Fragen. Die offensichtlichste ist natürlich die, was es für eine glückliche Beziehung braucht. Ein Klischee besagt ja, dass zwei Menschen sich auf einer Wellenlänge befinden müssen, äußere Anziehungskraft sei hingegen zweitrangig. Bei Die Natur der Liebe sehen wir: Das Stimmt so nicht. Wobei der Film keine eindeutige Antwort liefert, was denn nun wirklich wichtig ist. Stattdessen nimmt er uns mit auf eine Entdeckungsreise, wenn sich Sophia immer wieder ausprobiert, sei es eben mit Sylvain, aber auch unabhängig von diesem. Das ist oft amüsant, ohne dass das hier deswegen eine dieser Komödien würde, die mit möglichst absurden Katastrophendates für Gelächter sorgen will. Es wird auch nicht geurteilt, Chokri beschränkt sich auf das Beobachten.
Die Tragikomödie, die in der Sektion Un Certain Regard von Cannes Premiere hatte, nutzt die Unterschiede zwischen Sophia und Sylvain außerdem, um von Klassenunterschieden zu sprechen. Ein weiteres Klischee, das hier bearbeitet wird, ist das, dass Liebe alle Gräben überwindet. Denn auch in der Hinsicht darf man sich hier nicht sicher sein. Wie wenig die beiden zusammenpassen, wird vor allem dann deutlich, wenn sie in ihren jeweiligen Kreisen unterwegs sind – und die jeweils andere Person zu einem Fremdkörper wird. Wo andere vielleicht Mut gemacht hätten und sagen, dass es sich lohnt, da mehr zu investieren und alles möglich ist, da zeigt Die Natur der Liebe deutliche Grenzen auf. An den Stellen wird es dann auch tatsächlich trauriger, wenn man eigentlich den beiden ja ihr Glück gönnen würde, man aber insgeheim ahnt, dass alles Abstrampeln am Ende umsonst sein wird.
OT: „Simple comme Sylvain“
Land: Kanada, Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Monia Chokri
Drehbuch: Monia Chokri
Musik: Emile Sornin
Kamera: André Turpin
Besetzung: Magalie Lépine-Blondeau, Pierre-Yves Cardinal, Francis-William Rhéaume, Monia Chokri, Steve Laplante, Marie-Ginette Guay, Micheline Lanctôt, Guillaume Laurin
Cannes 2023
Toronto International Film Festival 2023
Filmfest Hamburg 2023
Zurich Film Festival 2023
Französische Filmtage Tübingen Stuttgart 2023
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