Schattenseite

Eigentlich hätte der Wechsel an eine neue Schule für die 18-jährige Nola (Samirah Breuer) ein Neustart werden sollen. Doch kaum dort angekommen, überschlagen sich die Ereignisse. So hat sich kürzlich ein Schüler namens Linus das Leben genommen. Und gerade, als sich alle versammelt haben für eine schulische Trauerfeier, erhalten die Jugendlichen eine anonyme Nachricht. Die sogenannte Schattenseite droht, die dunkelsten Geheimnisse preiszugeben. Doch wer steckt dahinter? Und was weiß die Person wirklich? Klar ist nur, dass die Person nicht blufft, es dauert nicht lange, bis die erste Bombe platzt. Gemeinsam mit Corvin (Florian Geißelmann) sucht Nola nach Antworten. Doch die Zeit drängt …

Die tägliche Jugendhölle

In der letzten Zeit hat sich die ARD an einer Reihe düsterer Serien versucht. Zur besten Sendezeit lief dabei Hundertdreizehn, wo es um einen verheerenden Busunfall und die Suche nach den Ursachen ging. naked wiederum erzählte von einem Sexsüchtigen und seiner dysfunktionalen Beziehung. Und dann war da natürlich noch Oktoberfest 1905, ein bayerischer Western mit Unmengen an Intrigen. Letztere gibt es auch in Schattenseite zuhauf. Wobei es hier nicht um historische Abgründe geht. Im Gegenteil: Man versucht mit der Serie, die Sorgen und Nöte junger Menschen in der Gegenwart aufzuzeigen, die mit den unterschiedlichsten Themen zu kämpfen haben.

Die Grundlage hierfür lieferte Jonas Ems. Der wurde ursprünglich durch seine Videos bekannt, die er für seine YouTube-Kanäle produzierte. Inzwischen ist er auch als Schauspieler sehr aktiv, spielte etwa die Hauptrolle in dem Kinofilm Krass Klassenfahrt – Der Kinofilm, der auf seiner Webserie basierte. Und weil ihm das noch nicht reichte, veröffentlichte er auch ein eigenes Parfüm sowie mehrere Romane – darunter das 2019 erschienene Schattenseite: Tage der Wahrheit. An der Serienadaption wirkte er selbst mit, sowohl bei den Drehbüchern wie auch als Schauspieler. Dabei beschreibt er die Jugend als eine Zeit höchster Verwundbarkeit. Nicht nur, dass irgendwie alle irgendwelche Geheimnisse haben, die sie unbedingt bewahren wollen. Der Alltag ist von Mobbing bestimmt, da sind einige Jugendliche, die anderen aus Prinzip schon das Leben zur Hölle machen.

Genre-Mix, der neugierig macht

Die Serie streift dabei die verschiedensten Genres. Verkauft wird sie primär als Thriller, weil natürlich ganz viele Leute in Gefahr geraten. Eine körperliche Bedrohung gibt es hier zwar nicht, zerstörte Existenzen drohen aber durchaus. Verbunden wird dies mit einem großen Mystery-Faktor. Schließlich dürfen sich alle – das Publikum inklusive – fragen, wer denn hinter dieser Seite steckt und was diese Person bezweckt. Will sie Rache für das, was Linus geschehen ist? Oder geht es um etwas ganz anderes? Und natürlich ist Schattenseite auch ein Drama, wenn es um ganz viele Probleme geht, etwa Mobbing, Homophobie oder Familienstreitigkeiten. Und natürlich Selbstmord, weshalb zu Beginn auch immer eine Texttafel eingeblendet wird, die dazu aufruft, sich Hilfe zu sorgen.

Dass das alles in dieser geballten Konzentration nicht unbedingt sehr glaubwürdig ist, das ist klar. Die Serie sucht die Balance aus alltäglichen Themen und einem völlig überzogenen Szenario – was mal besser, mal schlechter funktioniert. Das weitgehend unbekannte Ensemble macht seine Arbeit dabei ziemlich gut und gleicht so manch holprige Stelle im Drehbuch aus. Tatsächlich bewegend wird Schattenseite dabei zwar kaum, es ist nicht so, dass einen das Schicksal der Figuren immer emotional mitnehmen würde. Spannend ist die TV-Produktion, die auf dem Filmfest München 2025 debütierte, aber schon. Denn da ist nicht nur die Suche nach Person X. Perfide ist zudem, dass sich die Leute freikaufen können, indem sie die Geheimnisse anderer verraten, was zunehmend die Atmosphäre an der Schule vergiftet, da man nicht mehr weiß, wem man trauen kann. Und auch die zunehmende Eskalation hat ihren Anteil daran, dass man doch bis zum Schluss neugierig ist, wie tief das noch in den Abgrund geht.