Peter Hujars Day
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Peter Hujar’s Day

Peter Hujars Day
„Peter Hujar’s Day“ // Deutschland-Start: 6. November 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Am 19. Dezember 1974 besucht der Fotograf Peter Hujar (Ben Whishaw) die Schriftstellerin Linda Rosenkrantz (Rebecca Hall) in ihrer New Yorker Wohnung. Die beiden sind enge Freunde und unterstützen sich gegenseitig bei ihren künstlerischen Projekten. Für ihr neues Vorhaben interviewt Rosenkrantz befreundete Künstler*innen über ihren vorherigen Tag – vom Aufstehen bis zum Abendessen.

Hujar beginnt zu erzählen: von den ersten Telefonaten am Morgen, einem Treffen mit einer Mitarbeiterin der Zeitschrift Elle und einem Fototermin mit dem Dichter Allen Ginsberg, der mit ihm lange über die Sinnhaftigkeit des geplanten Artikels diskutiert. Dabei springt Hujar immer wieder in der Zeit vor und zurück – mal, weil ihm ein Detail entgleitet, mal, weil es plötzlich wieder auftaucht. Während er berichtet, wird ihm allmählich bewusst, dass sein vermeintlich gewöhnlicher Tag voller Begegnungen, Gedanken und Verflechtungen war – und dass er durch das Erzählen erst Bedeutung erhält.

Eine interessante Herausforderung

Beziehungsdramen haben die Tendenz, nicht zum Punkt zu kommen oder unnötig aufgebläht zu sein. Die Filme von Regisseur Ira Sachs hingegen konzentrieren sich auf Momente, in denen das Besondere einer Beziehung, ihre Nähe, ihre Intimität und ihre Verletzlichkeit deutlich werden. Der Alltag seiner Figuren wird dabei zur Bühne, wie in Keep the Lights On (2012), Love Is Strange (2014) oder Passages (2023). Nicht selten spielen Künstler und ihre Wahrnehmung eine Rolle, allerdings ohne dass Sachs sie zu Genies verklärt – was Peter Hujar’s Day besonders gut verdeutlicht. Basierend auf einem Transkript des Gesprächs zwischen dem Fotografen und der Schriftstellerin erzählt Sachs zum einen von der Besonderheit der Beziehung der beiden Figuren und zum anderen davon, wie der Akt des Erzählens selbst unserem vermeintlich banalen Alltag Bedeutung verleiht.

Sobald man von seinem Alltag zu erzählen beginnt, wird man automatisch zu einer Mischung aus Autor und Lektor. Während Hujar versucht zu rekonstruieren, mit wem er am gestrigen Morgen gesprochen hat, was das Thema des Gesprächs war und was er davor oder danach gemacht hat, hat auch er diese Erkenntnis. Auf einmal verschiebt sich ein Ereignis oder eine Äußerung zeitlich, gewisse Abläufe machen keinen Sinn oder man ertappt sich selbst bei einer Lüge. Mit einem entwaffnenden Schmunzeln bemerkt Hujar gegenüber Rosenkrantz, dass er doch öfter lügt, als er meint. Als die Autorin den Fotografen damit konfrontiert, dass er ihr gegenüber ähnliche Ausreden genutzt hat, fühlt er sich ertappt – und es wird nicht das letzte Mal an diesem Tag sein.

Man hat vielleicht Zweifel am sehr simplen Fundament von Ira Sachs’ neuem Film, doch aus dem minimalistischen Ansatz erschafft der Filmemacher eine ganz besondere Geschichte, die im Grunde den Kern seines gesamten filmischen Schaffens beinhaltet. Die Erkenntnis der Figuren wird auch die des Zuschauers sein, wenn aus der Narration an sich, der Inszenierung und der Interaktion mit einem aufmerksamen, freundlichen Gegenüber das Banale zu einem ganz speziellen Stoff wird.

Die Architektur einer Beziehung

Die „interessante Herausforderung“, die Sachs in der Vorlage sah, wird zur Blaupause einer Beziehung. Ben Whishaw als Peter Hujar und Rebecca Hall als Linda Rosenkrantz spielen nicht nur glaubhaft zwei Künstler, sondern auch zwei Freunde, die sich vertrauen, aufmerksam einander zuhören und Nachfragen stellen. Man hört – oder sieht – ihren Figuren nicht wegen des „Name-Droppings“ von Autoren wie Susan Sontag, Allen Ginsberg oder William Burroughs zu, denn ihre Unterhaltung ist keineswegs Klatsch und Tratsch. Durch ihre Kommentierung und ihr Miteinander beobachten wir Intimität, und ihre Gestik und Mimik spiegeln dies wider. Beide entdecken gemeinsam das Besondere in der Erzählung Hujars, doch ebenso in ihrer Interaktion, die dabei eine wichtige Rolle spielt und für den Zuschauer den Reiz dieses Films ausmacht.

Ein interessanter Aspekt in Peter Hujar’s Day ist die Inszenierung von Licht und Raum. Ira Sachs und Kameramann Alex Ashe gelingt es, die Wärme eines New Yorker Apartments einzufangen, seine kreative Struktur sowie die Allgegenwärtigkeit des Kulturellen. Hujar und Rosenkrantz erscheinen nicht als abgehobene Intellektuelle, sondern als Menschen, die ebenso auf Sinnsuche sind wie wir selbst auch. Durch Punkte wie die Lichtgebung oder die Kostüme fängt Sachs zum einen die bereits erwähnte Intimität der beiden Figuren ein und zum anderen die Besonderheit dieses einen Wintertages, der einer von vielen ist, doch durch diesen Moment, diese Inszenierung und diese Erzählung besonders wird.

Credits

OT: „Peter Hujar’s Day“
Land: Deutschland, USA
Jahr: 2025
Regie: Ira Sachs
Drehbuch: Ira Sachs
Kamera: Alex Ashe
Besetzung: Ben Whishaw, Rebecca Hall

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur Ira Sachs zu unterhalten. Im Interview sprechen wir über die Arbeit an Peter Hujar’s Day.

Ira Sachs [Interview]

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Peter Hujar’s Day
fazit
„Peter Hujar’s Day“ ist ein warmherziger Film darüber, dass man das Besondere im scheinbar Banalen erkennen kann. Ira Sachs spricht vom Erzählen an sich, von Intimität und von einem anderen Künstlerdasein, als man es aus Biopics kennt. „Peter Hujar’s Day“ ist alles, was Sachs’ filmisches Werk ausmacht, und ein großer Kinomoment für alle, die ein gutes, intelligentes Erzählen zu schätzen wissen.
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