
Es sah alles nach einem ganz normalen Tag in der Bar „Le Roi Soleil“ aus. Während der Chef Nico (Xianzeng Pan) und die Bedienung Esmé (Lucie Zhang) sich um den Laden kümmern, trudeln die ersten Gäste ein. Neben den beiden Polizisten Livio (Pio Marmaï) und Reda (Sofiane Zermani) sind bereits die unterschiedlichsten Leute zusammengekommen. Comar (Némo Schiffman) ärgert sich, dass er kein Bier bekommen hat. Abel (Panayotis Pascot) erzählt am Telefon von seiner Arbeit. Und Erwan (Joseph Olivennes) ist gerade leicht bekleidet auf der Flucht, nachdem er für einen royalen Skandal gesorgt hat. Doch die größte Aufmerksamkeit erhält der freundliche, unscheinbare Monsieur Kantz (Claude Aufaure), als er feststellt, dass seine Lottozahlen gezogen wurden. 294 Millionen Euro hat der alte Herr gewonnen – was recht bald zu Begehrlichkeiten führt …
Der Kampf ums Geld
Dass Geld den Charakter verdirbt, ist eine beliebte Redewendung. Beispiele dafür gibt es immer wieder, sei es im realen Leben oder auch in Filmen, wenn Figuren plötzlich zu Geld kommen. Oder zumindest Geld in Aussicht ist. Empfehlenswert ist beispielsweise Sechs Richtige – Glück ist nichts für Anfänger über die oft bitterbösen Auswirkungen eines Lottogewinns. Aber auch The Last Stop in Yuma County ist ein echter Geheimtipp, wenn ein abgelegener Diner zur Arena wird, nachdem eine Tasche voller Geld auftaucht. Mit dem französischen Thriller No One Will Know kommt nun ein Film zu uns, der quasi eine Mischung aus eben diesen beiden Streifen ist, wenn sich Elemente der zwei in einer einzigen Geschichte zusammenfinden.
So geht es hier wie beim ersten um einen Lottogewinn, der zuerst Freude und dann jede Menge Abgründe mit sich bringt. Mit dem zweiten Film teilt er ein ähnliches Setting, beide Geschichten spielen fast ausschließlich in einem gastronomischen Laden – dort ein Diner, hier eine Bar. Auch der Hang zum jeder-gegen-jeden ist beiden gemeinsam. Einen Preis für Originalität wird No One Will Know daher nicht gewinnen. Am ehesten sticht noch der Einstieg hervor, wenn die Figuren eingeführt werden und man hierfür immer wieder dieselbe Szene zeigt, nur mit einer anderen Vorgeschichte. Zur Charakterisierung dient das aber nur bedingt. Tatsächlich wird man bis zum Ende des Films über viele Figuren nicht wirklich viel erfahren. Dafür eskaliert das Geschehen dann doch zu schnell, es bleibt keine Zeit für einen gesitteten Austausch. Improvisierte Lösungen sind gefragt, kein Smalltalk.
Aus Spaß an der Eskalation
Dass die Lösungen vielleicht nicht immer die schlausten und durchdachtesten sind, wird man den Figuren angesichts der Ausnahmesituation kaum vorwerfen können. Wie oft steckt man schon in einem millionenschweren Überlebenskampf? Zumal ein Teil des Spaßes ja auch darin besteht, wie absurd das hier zum Teil wird. Je mehr passiert – und in No One Will Know passiert eine ganze Menge –, umso mehr müssen die Männer und Frauen auftischen, wenn sie noch irgendwie diese Situation überstehen wollen. Dass es dabei einige nicht bis zum Ende schaffen werden, ist klar. Schon die erste Einstellung zeigt den Teil einer Leiche, wobei zunächst noch offen ist, wer das genau ist. Der Thriller, der 2025 in der Mitternachtssektion von Cannes Weltpremiere hatte, erzeugt so einiges an Spannung. Was wird noch alles geschehen? Und wen erwischt es als nächstes?
Regisseur und Co-Autor Vincent Maël Cardona, der mit seinem wunderbaren Charakterdrama Die Magnetischen ein starkes Debüt vorlegte, zeigt bei seinem zweiten Film seine Vielseitigkeit. So gibt es zwar erneut ernste Themen. Der Fokus liegt aber auf der Unterhaltung, was bei ihm auch mal mit pechschwarzem Humor einhergehen kann. Tatsächlich ist No One Will Know manchmal einer Komödie schon recht nahe. Vielleicht hätte man dem Kammerspielthriller da noch mehr Konsequenz gewünscht, zumal dieser zwischendurch auch unschlüssig erscheint, wie es denn weitergehen soll. Dennoch, auch das zweite Werk des Franzosen überzeugt, obwohl es komplett anders ist, und macht dadurch neugierig, wie das nächste aussehen mag.
OT: „Le Roi Soleil“
Land: Frankreich
Jahr: 2025
Regie: Vincent Maël Cardona
Drehbuch: Vincent Maël Cardona, Olivier Demangel
Musik: Heiko Maile
Kamera: Carlo Jelavic
Besetzung: Pio Marmaï, Lucie Zhang, Sofiane Zermani, Maria de Medeiros, Panayotis Pascot, Joseph Olivennes, Némo Schiffman, Xianzeng Pan, Claude Aufaure
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