
Beule (Janek Rieke) ist eigentlich ein friedlicher Typ. Aber wenn er gereizt wird, greift er gerne mal zur Axt. Zum Beispiel, wenn sich Beules Freundin Anja (Julia Hartmann) in eine Schikane auf zwei Beinen verwandelt, weil sie unbedingt ein Kind will und die Hormone die einstige Traumfrau charakterlich komplett umkrempeln. Beule tröstet sich mit Mia (Nilam Farooq). Aber auch die schwangere Anja hat zahlreiche Verehrer, unter anderem Beules Bruder Richard (Max Giermann), was die Lage nicht einfacher macht. Und dann mischen sich auch noch Beules hartgesottene Kumpel Kalle (Gerdy Zint), Henning (David Bredin) und Sören (Daniel Michel) ein. Der Rest ist Chaos pur, wie sich das für eine schnell drehende Spirale schwarzen Humors gehört. Dabei schauen sich die filmischen Mittel der neuen Komödie des Regisseurs und Hauptdarstellers Janek Rieke von den Charaktereigenschaften des Protagonisten einiges ab. Sie wüten selbst wie die Axt im Walde, zum Beispiel gegen die gleichförmige deutsche Mainstreamkomödie. Das ist erfrischend unkonventionell. Und beweist einmal mehr, dass man mit wenig Geld, keinerlei Scheuklappen und jeder Menge Chuzpe gehörig Spaß haben kann.
Der Charme des Groben
Tief in der Nacht. Vor „Jakobs Roadcafé“ steht ein ganz normaler, biederer Zigarettenautomat. Auf den hat es Beule heute abgesehen. Nicht weil er Raucher wäre oder geldgierig. Nein, Beule, unser Mann mit der Axt, schäumt einfach nur vor Wut. Und weil er sonst nicht weiß, wohin mit dem Frust, drischt er erbarmungslos auf das unschuldige Ding ein, das weder klemmt noch Münzen gefressen hat. Bevor wir uns fragen, was mit dem Typ los ist, erklärt es uns Janek Rieke aus dem Off lieber selbst. Das Voiceover macht uns rasch mit zwei Dingen vertraut. Erstens, der Film fackelt nicht lange, sondern kommt direkt auf den Punkt, selbst um den Preis eines recht ausführlichen Off-Kommentars, über das kunstsinnige Cineasten vielleicht die Nase rümpfen würden. Zweitens, die Charakterzeichnungen, die der Kommentator abliefert, fallen derart überzogen aus, dass sie schon wieder lustig sind. Selten verläuft sich eine Komödie derart unbekümmert ins B-Movie-Fach. Und noch seltener feiert sie den Charme des Groben, Unperfekten und Holzschnittartigen in solcher Direktheit, als hätte vor und hinter der Kamera tatsächlich eine Schar von Holzfällern gewütet.
Der Hamburger Janek Rieke (Jahrgang 1971) verdient sein Geld hauptsächlich als Schauspieler. Als Regisseur stellte er 1998 sein Debüt Härtetest vor. Beule – Zerlegt die Welt ist nach mehr als 25 Jahren Pause seine zweite Arbeit. Dass er sich mit dem späten Nachfolger nichts mehr beweisen muss, merkt man der turbulenten Komödie in jeder Szene an. Zwar war der Ausgangspunkt für den Film nach Riekes Aussage ein durchaus ernster: „Ich wollte einen Film übers Verzeihen drehen; darüber, wie wichtig es ist, gnädig zu bleiben, und wie schwer das ist, wenn man verletzt wurde.“ Das kann man zwischen den Zeilen natürlich auch herauslesen. Aber der Zündstoff für die Komik ist vor allem der Tabubruch. Mit Verve spielt die schwarze Komödie gegen das viel zitierte „Unbehagen in der Kultur“ (Sigmund Freud) an. Und freut sich, wie unter der dünnen Zivilisationsdecke Aggressions- und Sexualtriebe ihr Unwesen treiben. Und das keineswegs nur unter den hemdsärmeligen Männern, sondern durchaus auch bei gekränkten Frauen.
Wandelnde Vulkane
Zum fröhlichen Klamauk tragen die hervorragend besetzten Nebenrollen bei. Insbesondere Freya Tampert als Paar-Therapeutin Milewski setzt mit ihrem Realismus einen ebenso verblüffenden wie komischen Kontrapunkt zu den wandelnden Aggressionsvulkanen. Geschult durch ihren Beruf, ist ihr schon lange bewusst, dass Liebe, Ehe und Kinderkriegen nur in Hollywood-Liebesschnulzen einer Schlafwagenfahrt ähneln. Beule – Zerlegt die Welt, der so ziemlich alle Filmgenres zitiert und gleichzeitig aufs Korn nimmt, rast hingegen durch ein Jahrmarktspektakel aus Karussell, Geister- und Achterbahn. Wer seine Leinwandhelden gern mal stellvertretend über die Stränge schlagen sieht, sollte an Janek Riekes derbem Humor seine Freude haben. Zartbesaitete Gemüter könnten sich hingegen im falschen Film wähnen.
OT: „Beule – Zerlegt die Welt“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Janek Rieke
Drehbuch: Janek Rieke
Musik: Max Berghaus
Kamera: Waldemar Obermann
Besetzung: Janek Rieke, Julia Hartmann, Max Giermann, Nilam Farooq, Freya Tampert, Hans Löw, Gerdy Zint
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)










