
Der junge dänische Priester Lucas (Elliott Crosset Hove) wird Ende des 19. Jahrhunderts nach Island geschickt, um eine Kirchengemeinde aufzubauen und auch erste Fotografien von der Insel und den dort lebenden Menschen anzufertigen. Schwer bepackt mit einem riesigen Kreuz, zahlreichen Büchern sowie der Fotoausrüstung macht er sich auf den Weg. Dieser stellt sich aber als deutlich schwieriger heraus, als er es sich zuvor ausgemalt hatte. Immer wieder hat er mit der rauen Natur der Insel zu kämpfen, während er und eine kleine Gruppe durch die menschenleeren Gegenden reisen. Dabei wird ihm nicht nur sein umfangreiches Gepäck zur Last, sondern auch seine eigene Einstellung. Denn was als Akt der Kolonisierung begonnen hat, wird für ihn zur Erkenntnis, dass er dem Land nichts entgegenzusetzen hat …
Kampf gegen die Natur
Auch wenn seine Filmografie bislang noch überschaubar ist, hat sich der isländische Regisseur Hlynur Pálmason inzwischen einen festen Platz im europäischen Arthouse gesichert. Schon sein Langfilmdebüt Winter Brothers (2017) über zwei Brüder, die in einer Fabrik arbeiten, brachte ihm viel Anerkennung und den einen oder anderen Filmpreis ein. 2019 folgte Weißer weißer Tag, ein erneut mit surrealen Elementen spielendes Drama. Diesmal erzählte er von einem Polizisten, dessen Frau in einem Autounfall ums Leben gekommen ist, und der sich nun immer mehr in einen Wahn hineinsteigert. Der Film schaffte es bei uns sogar in die Kinos. Leider war seinem dritten Langfilm Godland 2022 eine solche Veröffentlichung nicht vergönnt – trotz erneut guter Kritiken, diverser Preise und der einen oder anderen Festivalteilnahme.
Das dürfte auch daran liegen, dass es Pálmason weder seinem Publikum noch den Figuren leichtmacht. Rund 140 Minuten ist das Werk lang, obwohl eigentlich gar nicht so wahnsinnig viel geschieht. Es ist auch nicht so, als würde in dem Film sehr viel gesprochen. Am Anfang versucht der Protagonist noch, die Landessprache zu lernen. Danach gibt es aber immer wieder längere Passagen, in denen weder er noch die anderen etwas zu sagen haben. Das bedeutet aber nicht, dass Godland nichtssagend wäre. Ein wichtiges Thema ist beispielsweise das der Kolonisierung. Wenn der einheimischen Bevölkerung die Religion aufgezwängt werden soll, dann ist das eine Spiegelung der Menschen, die versuchen, sich die Natur untertan zu machen. Und eben das klappt hier nicht so wirklich, Lucas muss mit der Zeit frustriert anerkennen, dass die Natur für ihn zu groß ist. Sie sich nicht darum schert, was er da tut und vorhat.
Überwältigend und beengt
Godland ist dann auch die Geschichte eines Mannes, der mit großen Ideen und Visionen anreist und dabei mit der Zeit immer mehr verliert. Parallel dazu wird auch die Ausrüstung immer kleiner, weil diese ebenso wie der Protagonist nicht in diese Gegend passt. Das ist eigentlich alles ziemlich düster, fast schon tragisch in der Unerbittlichkeit, mit der Pálmason seine Hauptfigur auseinandernimmt. Und doch hat der Film auch heitere Momente, in denen das lange Leiden des Geistlichen mit etwas Spott und Augenzwinkern aufgelockert wird. Das Drama hält dabei dem Publikum einen Spiegel vor, wenn wir uns zwar in einem historischen Kontext bewegen, jedoch menschliche Eigenschaften aufzeigen, die man heutzutage genauso finden würde. Nur der Mangel an Technologien erinnert einen hier daran, dass wir in die Vergangenheit gereist sind.
Während der Film so inhaltlich die eine oder andere hässliche Seite aufdeckt, ist er visuell umso schöner. Das Drama, welches in der Sektion „Un Certain Regard“ in Cannes Weltpremiere feierte, hat geradezu überwältigende Aufnahmen der rauen Natur im Gepäck, bei denen das bloße Zusehen Demut auslöst. Auf den ersten Blick ist es daher schade, dass Pálmason auf ein quadratisches Bildformat setzt, wodurch viel weggeschnitten wirde. Immer wieder würde man sich wünschen, noch den Rest zu sehen und die Szenen ganz weit aufziehen zu können. Und doch passt es zu der Engstirnigkeit und dem Gefühl der Desorientierung, wenn der Protagonist in Godland immer auch ein Gefangener ist und ständig an seine Grenzen stößt.
OT: „Vanskabte Land“
Land: Dänemark, Frankreich, Island
Jahr: 2022
Regie: Hlynur Pálmason
Drehbuch: Hlynur Pálmason
Musik: Alex Zhang Hungtai
Kamera: Maria von Hausswolff
Besetzung: Elliott Crosset Hove, Vic Carmen Sonne, Ingvar Sigurðsson, Ída Mekkín Hlynsdóttir, Jacob Hauberg Lohmann, Waage Sandø
Cannes 2022
Filmfest München 2022
Toronto International Film Festival 2022
International Film Festival Rotterdam 2023
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