
Will Bloom (Billy Crudup) weiß schon gar nicht mehr, wie oft ihm sein Vater Edward (Albert Finney) die Geschichte erzählt hat, er habe am Tag von Wills Geburt einen riesigen Fisch gefangen, indem er seinen Ehering als Köder nutzte. Und er will sie auch gar nicht mehr hören, er hat genug von den vielen Fantastereien. Als Edward Jahre später an Krebs erkrankt und im Sterben liegt, eilt Will dennoch mit seiner schwangeren Frau Joséphine (Marion Cotillard) herbei. Für den alten Mann wird dies zum Anlass, noch einmal sein Leben Revue passieren zu lassen. Denn als Jüngling (jetzt: Ewan McGregor) hat er manches Abenteuer erlebt und die außergewöhnlichsten Menschen getroffen. Doch ist das dann die Wahrheit oder nur eine von seinen vielen Geschichten?
Fantasievolle Gratwanderung mit Anlaufschwierigkeiten
Manchmal weiß man einfach, dass man etwas ganz Besonderes vor sich hat. So erging es zumindest John August, als er 1998 ein Manuskript des damals noch unveröffentlichten Romans Big Fish: A Novel of Mythic Proportions von Daniel Wallace in die Hände bekam und alles dransetzte, dass die Filmrecht gesichert werden. Während die Lizenzierung noch vergleichsweise schnell ging, dauerte es im Anschluss ganze 15 Jahre, bis auch ein fertiger Film daraus wurde. Untätig war man in der Zwischenzeit nicht. Tatsächlich wollte Steven Spielberg Regie bei der Adaption führen. Das Projekt ging aber mehrfach hin und her, das Drehbuch wurde immer wieder neu angegangen. Am Ende nahm Tim Burton auf dem Regiestuhl Platz, was im Nachhinein so naheliegend ist, dass man sich keine andere Version vorstellen kann.
Dabei verabschiedete sich der Regisseur von dem Hollywood-Spektakel, dem er seit 1989 angehörte, als er mit Batman einen Blockbuster schuf. Stattdessen handelt es sich bei Big Fish um ein intimes Werk, das nahe bei den Menschen ist. Das heißt nicht, dass der Film deswegen realistisch ist. Er hat vielmehr von Anfang an eine sehr märchenhafte Note. Wenn wir gemeinsam mit Ed in seine Vergangenheit reisen und wir mitansehen, wie er visionäre Hexen, sanfte Riesen, Werwölfe und siamesische Zwillinge trifft, dann ist die Realität nur eine Randerscheinung. Wobei es oft nicht ganz klar ist, was davon nun real und was eingebildet ist. Der Protagonist macht aus allem eine Geschichte, flunkert dabei gern und übertreibt, wobei die Grenzen immer wieder zwischen der Welt und der Fantasie verwischen. Das geht auch mit einigem Humor einher, die einzelnen Lebensabschnitte sind immer etwas versponnen und schräg – ein typischer Burton eben.
Emotional und verträumt
Diese episodenhafte Struktur des Romans wird durch eine Rahmenhandlung zusammengehalten. Diese rückt zwar regelmäßig in den Hintergrund, wird dadurch aber nicht unwichtig. Stattdessen ist sie sogar das Herz der gesamten Geschichte, wenn es darin um die Annäherung von Sohn und Vater geht. Will, genervt von den Fabeln, lernt Ed noch einmal neu kennen und schätzen, findet einen Zugang, den er sein Leben lang nicht hatte. Auf diese Weise ist Big Fish eben auch etwas fürs Herz, erzählt von familiären Beziehungen, einer lebenslangen Liebe, aber auch wertvollen Freundschaften, die den Protagonisten geprägt haben. Bei all den Märchen und Träumereien, die einem hier in Erinnerung bleiben, es geht am Ende dann doch vor allem um die Menschen.
Das ist mal unterhaltsam, mal bewegend. Zugleich ist die Roman-Adaption eine Liebeserklärung an das Geschichtenerzählen. So wie Ed sein Umfeld mit auf eine Reise mitnimmt, tut das eben auch der Film, macht die Abenteuer zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis. Hier darf man staunen und wundern, darf selbst träumen und dabei lernen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Damit gelang Burton eines der schönsten Werke in seiner langen Karriere. Auch wenn es ein bisschen schade ist, dass diverse Figuren – gerade die weiblichen – zu kurz kommen, nicht viel mehr als Deko sind, ist Big Fish ein wunderbares Werk, das auch mehr als zwei Jahrzehnte später nichts von seinem Zauber eingebüßt hat.
OT: „Big Fish“
Land: USA
Jahr: 2003
Regie: Tim Burton
Drehbuch: John August
Vorlage: Daniel Wallace
Musik: Danny Elfman
Kamera: Philippe Rousselot
Besetzung: Ewan McGregor, Albert Finney, Billy Crudup, Jessica Lange, Helena Bonham Carter, Alison Lohman, Robert Guillaume, Marion Cotillard, Steve Buscemi, Danny DeVito
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