
Paris in den 1930ern: Die Britin Leonora Carrington (Olivia Vinall) hält nicht viel von Konventionen, selbst in der freizügigen französischen Hauptstadt gerät sie regelmäßig an ihre Grenzen. Doch erst als sie den deutschen Maler Max Ernst (Alexander Scheer) trifft, mit ihm zusammenzieht und über ihn die surrealistische Bewegung kennenlernt, entdeckt sie ihre eigenen künstlerischen Ambitionen. Dabei dauert es, bis die schon von Kind auf fantasievolle Frau tatsächlich die Gelegenheit erhält, all dies auszudrücken. Immer wieder hat sie mit äußeren Umständen zu kämpfen, aber auch mit inneren Turbulenzen – die psychischen Probleme werden sie ein Leben lang begleiten. Aber sie wird es schaffen und in Mexiko zu einer bedeutenden Künstlerin werden …
Porträt einer lang verkannten Künstlerin
Einen Mangel an biografischen Filmen über Kunstschaffende kann man kaum beklagen, da kommt eigentlich ständig etwas heraus. Und doch ist ein gewisses Ungleichgewicht kaum zu übersehen: Es werden überwiegend Männer porträtiert. Während es im musikalischen Bereich noch vergleichsweise gut aussieht, ist die Malerei sehr einseitig repräsentiert. Logisch, Frauen mussten in diesem Bereich sehr lange darum kämpfen, als gleichwertig angesehen zu werden. Umso erfreulicher ist, dass in der letzten Zeit einige Werke herausgekommen sind, die dem entgegenwirken. Auf diese Weise durften wir mehr über Marthe Bonnard (Die Bonnards – Malen und Lieben), Frida Karlo (Hola Frida!) und Niki de Saint Phalle erfahren. Mit Leonora im Morgenlicht kommt nun ein weiteres Porträt hinzu, dieses Mal steht eben die britisch-mexikanische Surrealistin Leonora Carrington auf dem Programm.
Wem der Name erst einmal nichts sagt, muss sich nicht grämen. Wie viele andere Künstlerinnen auch wurde sie lange verkannt bzw. marginalisiert, erst spät erhielten ihre Werke die verdiente Aufmerksamkeit. Leonora im Morgenlicht setzt zu einem Zeitpunkt ein, als Carrington bereits etabliert ist. Der Film bleibt aber nicht an der Stelle stehen, sondern beginnt früh, ständig durch die Zeit zu springen. Da wechseln sich Szenen in Paris mit denen in Mexiko ab, später kommen Kindheitsaufnahmen hinzu, ohne dass ein klares Konzept erkennbar würde, nach dem das alles zusammengestückelt würde. Ein wichtiges Thema dabei sind die psychischen Probleme, vergleichbar zum obigen Niki de Saint Phalle, da beide in Nervenheilanstalten landeten. Und auch die stürmischen Beziehungen und der Kampf zwischen mit den Konventionen ist beiden Filmen gemeinsam. Hier ist das noch einmal ausgeprägter und eindrucksvoller, da das Regie- und Drehbuchduo Thor Klein (Abenteuer eines Mathematikers) und Lena Vurma auf Verfremdungseffekte setzt, die sehr gut zu der künstlerischen Richtung der Protagonistin passen.
Nur bruchstückhaft
Leider wird aber auch ein Manko des genannten Films wiederholt: Man erfährt sehr wenig über die Kunst. Die Begegnung mit den großen Surrealisten fällt kurz aus, es gibt mit Ernst keine nennenswerten Diskussionen zu dem Thema. Man bekommt dadurch kaum ein Gespür dafür, wie Carrington von ihrem Umfeld geprägt wurde oder welche Besonderheiten ihre eigenen Werke aufweisen. Leonora im Morgenlicht ist stärker an dem Menschen interessiert. Das ist prinzipiell nicht verkehrt, da es auch über diesen einiges zu sagen gibt. Das Leben der Protagonistin war schon sehr turbulent, ist zudem zumindest teilweise ein Spiegel der damaligen Zeit, wenn es unter anderem um Krieg, Religion und Geschlechterbilder geht. Und doch wirkt das in der Form seltsam bruchstückhaft.
Sehenswert ist das Drama, das auf dem Filmfest München 2025 Weltpremiere hatte, dennoch. Zum einen sind viele der Themen und Einblicke spannend, die Klein und Vurma zu bieten haben. Dann ist da die dichte, zuweilen unwirkliche Atmosphäre, die der Film erzeugt, gerade auch bei den Szenen in Mexiko. Und auch schauspielerisch überzeugt Leonora im Morgenlicht: Olivia Vinall war eine gute Wahl für die Besetzung der Künstlerin, wenn sie zwischen aufregendem Alltag und psychischen Abgründen wandelt, sich irgendwelchen Fantasien hingibt, bevor sie wieder den Kampf mit ihrem Umfeld aufnimmt. Insgesamt überwiegen die Stärken also deutlich, das Publikum darf sich auf ein faszinierendes Porträt freuen, welches dazu einlädt, das Werk der Künstlerin neu zu entdecken.
OT: „Leonora im Morgenlicht“
Land: Deutschland, Mexiko, UK, Rumänien
Jahr: 2025
Regie: Thor Klein, Lena Vurma
Drehbuch: Thor Klein, Lena Vurma
Musik: Mariá Portugal
Kamera: Tudor Vladimir Panduru
Besetzung: Olivia Vinall, Alexander Scheer, Ryan Gage, Luis Gerardo Méndez, István Téglás, Cassandra Ciangherotti
Amazon (DVD „Leonora im Morgenlicht“)
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