Born to Fake
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Born to Fake
„Born to Fake“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

1996 geriet das Reportagemagazin Stern TV negativ in die Schlagzeilen, als sich zahlreiche seiner die letzten Jahre über gesendeten Beiträge als Fälschungen entpuppten. Hinter ihnen stand stets derselbe Mann: Michael Born. Obwohl er nie eine journalistische Ausbildung genossen hatte, begann Born in den 1980er Jahren, als Reporter aus Krisengebieten zu berichten. In seine realen Kriegsberichte schnitt er Archivaufnahmen von Explosionen. Weil er damit durchkam und sein Material offenbar nur oberflächlich geprüft wurde, traute er sich mit der Zeit immer größere Fälschungen zu und lieferte schließlich frei erfundene Reportagen ab: Süchtige, die aufgrund hoher Drogenpreise dazu übergehen, die Haut von angeblich halluzinogenen tropischen Fröschen abzulecken. Kindersklaven, die in Indien Teppiche für Ikea webten. Oder geheime Treffen eines deutschen Ku-Klux-Klan-Ablegers. Keine dieser Geschichten entsprach der Wahrheit. Der ganze Schwindel flog schließlich auf, weil Born in seinen gestellten Aufnahmen dieselben Kollegen und Freunde immer wieder in verschiedensten Rollen einsetzte. Weitere Fehler, wie schlecht angeklebte falsche Bärte oder verkehrt aufgenähte Hakenkreuze, untermauerten den Verdacht. Es folgte ein Gerichtsprozess, der klären sollte, bei wem denn hier eigentlich die Schuld lag: beim Hochstapler Born, beim Fernsehsender RTL, bei Stern TV oder bei dessen damaligen Chefredakteur Günther Jauch.

Die Gier nach dem Absurden

Michael Born verstarb 2019. Zahlreiche seiner persönlichen Filmaufnahmen und weitere Dokumente gingen in die Hände seines Freundes Roland Berger über, der den Regisseuren Erec Brehmer und Benjamin Rost für ihre Dokumentation Born to Fake Zugriff darauf gewährte. Anhand dieses Materials und durch Interviews mit Berger, Borns Schwester, weiteren Freunden und Weggefährten Borns und einer Medienwissenschaftlerin zeichnen Brehmer und Rost nun in ihrem Film die absurde Geschichte des Menschen und Schwindlers Michael Born nach.

Born to Fake ist eine grandiose Dokumentation, weil sie einerseits höchst unterhaltsam ist, andererseits aber in Zeiten, in denen von manchen Seiten immer wieder „Fake News“-Anschuldigungen an die Medien erhoben werden, natürlich brandaktuelle Fragen aufwirft. Der Unterhaltungswert des Films speist sich vor allem aus der Persönlichkeit Michael Borns und der Chuzpe, mit der er bei seinen dreisten, bisweilen aber nicht schwer als solche zu erkennenden Fälschungen vorgegangen ist. Als hochintelligenter und kreativer Mensch setzte er seine Talente ganz einfach deswegen für Fälschungen ein, weil er damit durchkam. Die Ausschnitte aus den Fake-Reportagen wirken im Rückblick häufig so absurd, dass man sich fragt, warum nicht schon viel früher jemand Verdacht schöpfte. Sie sind lustig anzuschauen, werfen aber gleichzeitig die Frage auf, ob so etwas nur in einem ständig auf hohe Einschaltquoten schielenden Mediensystem möglich war, das nach immer noch brisanteren, absurderen und extremeren Stories gierte.

Mechanismen der Medienlandschaft

Allein die Ausschnitte aus Borns Reportagen und die Schilderung ihrer Entstehung würden also einen höchst vergnüglichen Film ergeben. Doch Brehmer und Rost ordnen das Ganze zusätzlich medienwissenschaftlich ein und gehen Themen wie Wahrheit und Objektivität nach. Schließlich stellen sie sogar die Methoden des Dokumentarfilms an sich infrage und reflektieren damit ihr eigenes Vorgehen. Damit regen sie auch den Zuschauer dazu an, sich tiefergehende Gedanken zu machen und das Gesehene nicht immer einfach für bare Münze zu nehmen. Im Film wird auch die Frage gestellt, was genau Michael Born, der 1996 wegen Betrugs verurteilt wurde, denn genau verbrochen habe. Sie ist gar nicht so leicht zu beantworten, wie man zunächst glaubt.

Am Ende wird schließlich das brandaktuelle Thema der künstlichen Intelligenz angeschnitten, das Täuschungen weit über das bisher bekannte Maß hinaus möglich macht – inklusive eines gefakten Michael Borns, der hier Sätze sagt, die ihm die Filmemacher in den Mund legen. Als von der Born-Affaire bislang völlig Ahnungsloser stellt man sich in diesem Moment tatsächlich kurz die Frage, ob man hier nicht einem riesigen Schwindel aufgesessen ist: War der ganze Film ein Fake, die Dokumentation nur eine Mockumentary? Nein, das dann doch nicht! Aber schon allein, dass man auf diesen Gedanken kommt, zeigt, wie absurd die Täuschungen von Michael Born waren. Und auch, wie wichtig aufklärerische Filme wie dieser sind, die die Mechanismen der Medienlandschaft durchleuchten und darlegen, wie leicht die Menschen auf Täuschungen hereinfallen – oder mit ihnen durchkommen.

Credits

OT: „Born to Fake“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Erec Brehmer, Benjamin Rost
Musik: Alexander Vičar
Kamera: Pius Neumaier, Julian Krubasik

Trailer

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Born to Fake
fazit
Unterhaltsam, entlarvend, aufklärend – „Born to Fake“ ist als Dokumentarfilm auf mehreren Ebenen erfolgreich und gerade deswegen so grandios.
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