
Der Dokumentarfilm Copa 71 von Debütantin Rachel Ramsay und James Erskine, der sich bereits mit Sportdokumentationen wie Le Mans: Racing Is Everything einen Namen gemacht hat, aber auch Dokumentarfilme in komplett anderen Bereichen gedreht hat – beispielsweise Skandal! Der Sturz von Wirecard oder Billie – Legende des Jazz -, entführt uns in ein vergessenes Kapitel der Sportgeschichte: die inoffizielle Frauenfußball-Weltmeisterschaft von 1971 in Mexiko. Dabei gelingt es den Filmemachern, nicht nur dank der faszinierenden Archivbilder die Geschichte eines Turniers dessen Finale vor 110.000 Zuschauern im Aztekenstadion stattgefunden hat, zu erzählen, sondern auch von faszinierenden Persönlichkeiten, die ihr Leben dem Fußball verschrieben haben. Vergessene Fußballerinnen wie Carol Wilson, Silvia Zaragoza oder Elena Schiavo berichten von ihrem Kampf um Anerkennung – ein Kampf, der trotz der Euphorie des Turniers vorher und nachher immer wieder von gesellschaftlicher Ablehnung geprägt war.
Fußball-Pionierinnen
Im Zentrum des Films stehen dabei die Stimmen dieser vergessenen Pionierinnen des Frauenfußballs selbst: ihre Erinnerungen, ihre Leidenschaft und ihr Schmerz über die jahrzehntelange Ignoranz gegenüber ihren Leistungen. Ramsay und Erskine geben diesen Frauen eine Bühne, die ihnen lange verwehrt blieb. Die emotionalen Interviews mit Athletinnen aus England, Mexiko, Italien, Frankreich, Argentinien und Dänemark offenbaren, wie groß ihr Einsatz war und wie sehr sie an ihrem Sport hingen und hängen. Der Historiker David Goldblatt liefert in prägnanten Einschüben den notwendigen historischen Kontext. Er beleuchtet die Anfänge des Frauenfußballs und die massiven Widerstände, die dem Sport vonseiten der FIFA entgegenschlugen. Die Motivation findiger Geschäftsleute, die die vorhandene Infrastruktur der Männer-Weltmeisterschaft 1970 nutzen wollten, um mit einem Frauenfußballturnier Geld zu verdienen, wird ebenso thematisiert wie die Drohungen der FIFA gegenüber nationalen Verbänden, die eine Teilnahme ihrer Teams an dem inoffiziellen Turnier in Erwägung zogen.
Dabei wird der Dokumentarfilm konventionell erzählt, ohne große Experimente, aber mit einem sicheren Gespür für Emotionen. Mit Stadionsound unterlegte Archivaufnahmen schaffen bei der chronologischen Nacherzählung des Turnierverlaufs eine dichte Atmosphäre, die den Zuschauer direkt ins Geschehen zieht. Dazu passen die “Talking Heads”-Sequenzen mit den Teilnehmerinnen des Turniers, die eine überraschend emotionale Intensität entwickeln. Ihre Erzählungen sind geprägt von Stolz auf ihre sportlichen Leistungen, dem unbändigen Willen, gegen gesellschaftliche Widerstände Fußball zu spielen, aber auch von dem tiefen Schmerz über die fehlende Anerkennung und die Ignoranz, mit der ihre Leistungen im Nachhinein behandelt wurden.
Offene Fragen
Allerdings bleibt die Auseinandersetzung mit den tieferliegenden Ursachen für das jahrzehntelange Schweigen über das Turnier etwas oberflächlich. Obwohl die Rolle der FIFA und anderer Institutionen angedeutet wird, hätte eine tiefere Analyse der Mechanismen, die zur Marginalisierung dieses bedeutenden sportlichen Ereignisses führten, dem Film eine zusätzliche Ebene und Schärfe verliehen. Hier bleibt ein gewisses Fragezeichen bestehen. Doch dieser kleine Schwachpunkt mindert die emotionale Wucht der Erzählungen und die Bedeutung des Films als Beitrag zur Anerkennung der Sportpionierinnen nur geringfügig.
Denn am Ende ist Copa 71 weit mehr als nur ein Sportdokumentation. Er ist ein eindringliches Porträt von Frauen, die sich ihren Platz auf dem Spielfeld erkämpften, als dies gesellschaftlich nicht erwünscht war. Ein Film, der nicht nur für Fußballfans vor der Europameisterschaft der Frauen, die in diesem Jahr in der Schweiz stattfindet, ein Muss ist, sondern für alle, die sich für Gleichberechtigung einsetzen. Ramsay und Erskine gelingt es, das Turnier nicht nur aus der Vergessenheit zu holen, sondern auch die enorme Bedeutung dieser mutigen Frauen für die Geschichte des Fußballs eindrucksvoll zu würdigen.
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