
Kinshasa, die 17 Millionen Einwohner*innen zählende Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, erlebt immer extremer werdende Flutkatastrophen. Verursacht wird das Hochwasser einerseits vom mangelhaften Umgang mit der Klimakrise, andererseits durch die Pläne der Regierung, den gewaltigen Grand-Inga-Staudamm am Fluss Kongo endlich fertigzustellen. Gerade zweiteres wirkt wie schmerzliche Realsatire: Während immense Hoffnungen in die dadurch rapide gesteigerte Erzeugung von Elektrizität gesteckt werden, stehen viele Haushalte, vor allem in den ärmeren Vierteln der Stadt, nicht nur unter Wasser, sondern sind auch noch von der Stromzufuhr abgeschnitten – im Dunkeln, an den Rändern der Metropole, erforscht Regisseur, Autor und Kameramann Nelson Makengo die betroffenen Communities, die mithilfe ihres christlichen Glaubens, ihres Einfallsreichtums und ihrer gemeinschaftlichen Resilienz versuchen, sich über Wasser zu halten.
Ohne Strom, voller Wasser
Mehrere Menschen jeglichen Alters sitzen um eine kleine Lichtquelle. Mal singen sie, selten lachen sie, doch vorrangig erzählen sie von ihren Strapazen, ihren Sorgen, vom beschwerlichen Leben ohne menschenwürdige Infrastruktur. Die Gemeinde Kinsénso ist nur eins der überschwemmten Gebiete, deren Einwohnende nun durchs mindestens bauchhohe Nass waten bzw. rudern, um noch eventuell funktionierende Stromkabel zu finden. Auch abseits der Umweltkatastrophen finden sich genügend Themen, die die Nachbarschaft beschäftigen: Gewalt, Tod, Kriminalität, Armut, Konflikte zwischen Generationen. Für schlussendliche Einigkeit sorgen die Notlage und der starke Glaube an Gott.
Die wackelige Kamera mit körnigem Bild, mit der Nelson Makengo die Protagonist*innen hautnah begleitet, katapultiert die Zuschauenden von Anfang an in die Dunkelheit der ansonsten pulsierenden Hauptstadt, deren Leben, Lichter und Soundkulisse nur im Hintergrund zu erhaschen sind. Ganz im derzeit äußert Populären Direct-Cinema-Stil gedreht, überlässt Rising Up at Night den Mühen der Community die Bühne und zeichnet damit ein drastisches, dramatisches Bild des beschwerlichen Alltags, der stellenweise aussichtslos scheint, ohne dabei effekthaschend zu wirken. Szenen wie die einer Frau, die mit ihrem Kind in ihrem eigenen Heim zur Hälfte im Wasser steht, sind eindrucksvoll und bedrückend genug.
Glaube und Zusammenhalt
Es ist bewundernswert und eine hohe Kunst, wie Makengo mit den wenigen Lichtquellen und Farben, mit der erdrückenden Menge der Wassermassen und der Intimität der Dunkelheit spielt – Rising Up at Night bleibt nicht nur ein dringlicher Appell an die Welt, mindestens an die kongolesische Regierung, den vom Hochwasser betroffenen Gemeinden Aufmerksamkeit zu schenken. Die Dokumentation ist eine Ode an Kinshasa, an den Zusammenhalt der Menschen, an den ideenreichen Umgang mit der Katastrophe, schließlich an die Nacht selbst, die inmitten dieser riesigen Stadt manchmal auch für ein Gefühl von Ruhe sorgen kann. Auch ist Rising Up at Night ein Zeugnis dafür, wie sehr ein fester Glaube Menschen in ausweglos scheinenden Situationen helfen kann, irgendeine Art von Hoffnung zu bewahren, selbst wenn dieser so intensiv ist, dass er für manche in der Gemeinde zur Bewusstlosigkeit führt. In der Kirche finden die Gläubigen das Licht, was ihnen nachts zuhause und auf der Straße fehlt.
Zu bemängeln ist an der Dokumentation die fehlende Stringenz, die in oftmals zusammenhanglos aneinandergereihten Szenen mündet – das spiegelt inhaltlich zwar den desolaten Zustand der überschwemmten Gebiete wider, sorgt allerdings für ein eher zäheres Seherlebnis, worin sich einige Thematiken sowie Szenerien wiederholen. Nichtsdestotrotz ist die Schwierigkeit, mit der dokumentarischen Erzählung zur Situation in Kinshasa einen roten Faden zu spannen, verständlich, da die Situation bis heute nicht unter Kontrolle ist; erst im April 2025 stieg der Fluss Kongo abermals auf eine verheerende Höhe an, die Dutzende Todesopfer forderte.
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