
Eva Greuner (Jördis Triebel) lebt mit ihrem Sohn Milan (Eloi Christ) abgelegen im Wald, viel Kontakt zur Außenwelt haben sie nicht. Das hat gute Gründe, schließlich ist der Jugendliche der Sohn eines Frauenmörders und entstammt selbst einer Vergewaltigung. Mit so jemandem will niemand etwas zu tun haben. Als eine junge Aktivistin im Wald erschossen aufgefunden wird, liegt auch der Verdacht nahe, wer dahinter steckt. Selbst Greuner befürchtet, dass ihr Sohn der Täter ist. Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Melly Böwe (Lina Beckmann), die gemeinsam an dem Fall arbeiten, sind aber noch nicht überzeugt, verfolgen noch einige weitere Spuren. Dabei hat Böwe eigene Sorgen, da ihre Tochter Rose (Emilie Neumeister) endlich mehr über ihren Vater erfahren möchte …
Krimi mit viel Tragik
Nachdem Fans von Polizeiruf 110 mehrere Monate lang vergeblich auf Nachschub warteten, gab es jetzt in kurzer Folge richtig viel davon. Dabei zeigte sich die Reihe wieder von einer stark schwankenden Qualität. So war Widerfahrnis über eine Frau, die von einem Auto überfahren wurde, richtig stark und durfte einen mit der dramatischen Vorgeschichte mitnehmen. Komplett missglückt war anschließend Ein feiner Tag für den Bananenfisch, bei dem drei Dragqueens einen Mord beobachten und anschließend von den Tätern verfolgt werden. Mit Böse geboren kommt gleich ein dritter Film hinterher, es ist der 419. der Reihe. Und wieder ist dem Team ein sehenswerter Teil geglückt, der die meisten Krimis der letzten Monate mühelos hinter sich lässt.
Wobei das wie bei dem ersten der beiden oben genannten Filme primär mit der Tragik der Geschichte zu tun hat. Eines vorweg: Wer ein Problem damit hat, wenn in Krimis in Figuren irgendwie kaputt sind, braucht es hier erst gar nicht zu versuchen. Ob es die Mutter und der Sohn sind oder andere Leute, die bei den Ermittlungen befragt werden, sie haben alle einen Knacks. Und das gilt eben auch für die Polizistin. Zwar vermeidet es Polizeiruf 110: Böse geboren, diese direkt in den Fall zu involvieren, wie man es so oft in deutschen Krimis findet. Böwes Privatleben ist prinzipiell für den Fall unerheblich. Und doch ist beides eng miteinander verbunden, wenn sich der Ausflug in das Familienleben und die Themen, die im Fall erzählt werden, sich gegenseitig spiegeln.
Die Frage nach dem Bösen
Wie der Titel schon vorgibt, geht es in dem Film um die Frage, woher eigentlich das Böse in den Menschen kommt. Ist es etwas, das in uns drin ist, von Anfang an, ohne dass wir etwas dagegen tun können? Oder ist es eine Entscheidung böse zu sein? Polizeiruf 110: Böse geboren ist also etwas nachdenklicher als andere Krimis. Richtig verkopft wird es dabei aber nicht, längere Diskussionen finden nicht statt. Anstatt sich tief mit der Materie auseinanderzusetzen, wird doch mehr auf Gefühl und Atmosphäre gesetzt. Diese ist entsprechend düster, schwankt zwischen hoffnungslos und verzweifelt. Das funktioniert sehr gut, auch dank des Ensembles: Da sind schon einige stark gespielte Momente dabei, die durch Mark und Bein gehen.
Ein Krimi ist natürlich auch dabei. Anders als das oben genannte Widerfahrnis, wo eigentlich früh verraten wird, wer die Frau überfahren wird, lässt sich Polizeiruf 110: Böse geboren bis zum Schluss Zeit, um die Wahrheit zu verraten. Das ist also schon ein klassischer Whodunit. Wobei die Zahl der Verdächtigen so gering ist, dass die Chancen nicht schlechten stehen, von sich aus auf die Lösung zu kommen. Wie viel man mit dem Film anfangen kann, hängt daher maßgeblich damit zusammen, ob man mit den darin angesprochenen Themen zurechtkommt. Wer das kann, findet hier einen tieftraurigen Genrevertreter, der lange nachwirkt – gerade auch das düstere Ende. Wem es mehr auf Spannung und Rätsel ankommt, ist woanders vielleicht besser aufgehoben.
(Anzeige)