
Von klein an sind Charles Aznavourian (Norvan Avedissian) und seine Schwester Aïda (Aaliyah Kerekdjian) sehr an der Kunst, speziell der Musik interessiert. Schließlich erlaubt diese ihnen, den ärmlichen Verhältnissen zu entkommen, in denen ihre aus Armenien geflohene Familie lebt. Als Erwachsener läuft Charles (jetzt: Tahar Rahim) noch immer diesem Traum hinterher. Und tatsächlich: An der Seite von Pierre Roche (Bastien Bouillon), der sein bester Freund wird, tritt er immer häufiger auf, verdient auch erstes Geld. Als er dabei der bereits sehr populären Sängerin Édith Piaf (Marie-Julie Baup) ins Auge fällt, nimmt die ihn unter ihre Fittiche, nimmt ihn mit auf Tournee. Der Erfolg des französischen Chansonniers wird immer größer – hat aber auch seinen Preis …
Aus dem Leben einer Legende
Charles Aznavour gehört ohne Zweifel zu den ganz Großen im Bereich des Chansons. Über 200 Millionen Platten hat der Franzose mit den armenischen Wurzeln im Laufe seiner Karriere verkauft. Diese war auch sehr lang: Sein Durchbruch gelang ihm in den 1940ern, 70 Jahre später stand er noch immer auf der Bühne. Über 1000 Lieder hat er während dieser Zeit aufgenommen, von denen er rund 800 selbst geschrieben hat. Insofern verwundert es nicht, dass irgendwann auch ein Film auf den Markt kommen würde, der sich des beliebten Sängers annimmt, der hin und wieder auch vor der Kamera stand. Mit Monsieur Aznavour war es dann endlich so weit und die Ikone bekommt endlich ein groß angelegtes Biopic. In Frankreich war dieses auch recht erfolgreich, rund zwei Millionen Menschen haben es im Kino gesehen. Zusätzlich war das Drama für vier Césars nominiert, der wichtigste Filmpreis der Grande Nation.
Natürlich kann ein einzelner Film kaum ausreichen, um eine derartige Karriere in ihrer Gänze abzubilden – von dem Privatleben ganz zu schweigen. Die etwa 134 Minuten sind dafür nicht genug. Sie sind aber ausreichend, um einen Einblick zu erhalten, wie der Sänger sich an die Spitze kämpfte. Der Aufstieg war durchaus hart. Nicht nur, dass der Protagonist aus ärmlichen Verhältnissen kam und Kunst ein kaum zu bezahlender Luxus war. Auch sein eher bescheidenes Aussehen und die ungewöhnlich raue Stimme machten ihn nicht unbedingt zu einem naheliegenden Star. Monsieur Aznavour beschreibt die Hindernisse und Schwierigkeiten, zeigt dabei, wie sich der ambitionierte Künstler nicht aufhalten lässt und immer weiterkämpft, dabei durchaus auch ein gutes Selbstbewusstsein an den Tag legt. Und das, obwohl er – aus heutiger Sicht kaum verständlich – mit teil vernichtenden Kritiken zu kämpfen hatte. Der Film ist dabei also durchaus eine typische Aufsteigergeschichte, die das Publikum beeindrucken soll.
Höhen und Tiefen
Das heißt aber nicht, dass sie deswegen eine dieser beschönigenden Heldenverehrungen wird. So charismatisch der Sänger ist, so sehr es ihm auch gelingt, andere für sich zu gewinnen, sein Ehrgeiz bedeutete auch, dass andere Menschen in seinem Leben zu kurz kamen. Dreimal war er verheiratet, vernachlässigte vor allem seine erste Frau, betrog diese auch. Wer mit Aznavour vor allem das Bild des großen Romantikers verbindet, wird durch Monsieur Aznavour ein wenig ernüchtert. Das macht den Film aber auch spannender, die große Ikone wird hier zu einem tatsächlichen Menschen mit nicht immer vorzeigbaren Seiten. Ein Mann, der sich für andere einsetzte, wie in seinem Skandalsong Comme Ils Disent, wo er von Homosexuellen und Transvestiten sang – einer von vielen Klassikern, die in dem Film eingebaut wurden.
Dem Regie- und Drehbuchduo Mehdi Idir und Grand Corps Malade, die zusammen bereits Lieber Leben und La Vie scolaire – Schulalltag gedreht haben, gelingt es dabei insgesamt ziemlich gut, diese Facetten und Elemente zusammenzubringen, ohne dass der Film deswegen ein beliebiges Stückwerk ist. Wobei die erste Hälfte dann doch noch die spannendere ist. Nicht nur, dass sie eben mit diesen Kämpfen verbunden ist, was immer interessanter ist als ein Leben auf der Erfolgswelle. Diese Passagen gehen zudem mit zeithistorischen Komponenten einher, die uns mehr über das Leben zur Mitte des Jahrhunderts verraten. Diese machen Monsieur Aznavour auch für ein Publikum sehenswert, die keine Fans des Sängers sind oder werden. Aber auch Hauptdarsteller Tahar Rahim, der seine Figur irgendwo zwischen Willensstärke und Zerbrechlichkeit darstellt, hat seinen Anteil daran, dass dieses Biopic eines der besten der letzten Jahre darstellt.
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