
Der Tramp (Charlie Chaplin) ist einer von vielen Arbeitern, die jeden Morgen ihre lange Schicht in der Electro Steel Corporation antreten. Die strengen Abläufe, die ewig gleichen Routinen und Handgriffe sowie die scheinbar konstante Überwachung durch den Chef der Firma haben bei den Arbeitern, einschließlich des Tramps, Spuren hinterlassen. Bei einem Zwischenfall in der Fabrik kommt es schließlich zum Zusammenbruch, und der Tramp dreht durch, er verfolgt seine Kollegen, seinen Vorarbeiter und schließlich sogar die Sekretärin vom Chef, da er plötzlich überall Schrauben sieht, die es zu drehen gilt. Schließlich gelingt es einer Gruppe von Sanitätern, den Tramp zu bremsen und ihn in eine Heilanstalt zu bringen, wo er einige Zeit verbringt, um sich zu erholen, jedoch am Ende seinen Job nicht zurückgewinnen kann.
Wieder auf der Straße der großen Stadt und auf der Suche nach einer Arbeit sowie etwas zu essen trifft der Tramp auf ein Straßenmädchen (Paulette Goddard). Die junge Frau muss für ihre Familie sorgen und sieht in dem Tramp einen Gleichgesinnten, mit dem sie sich zusammentut, damit sie beide überleben können. Aus der Zweckgemeinschaft wird schnell eine erste Beziehung, doch bevor man überhaupt erst an eine Familie denken kann, muss der Tramp eine feste Stelle finden, was gar nicht so einfach ist.
Über Maschinen und Menschen
Es gibt viele Geschichten über die Inspiration, die Charlie Chaplin auf die Idee zu Moderne Zeiten brachten, einen seiner wohl bekanntesten Filme neben Der große Diktator und Lichter der Großstadt. Unter anderem soll es eine Unterhaltung mit Mahatma Ghandi gewesen sein, in der sich der indische Politiker kritisch gegenüber der Entwicklung von Maschinen zur Optimierung der Produktion bei Unternehmen äußerte, was seiner Meinung nach zweifelsohne die Bedingungen für die Arbeiter noch gnadenloser machen würde. Auch die sozialen und politischen Zustände im Zuge der Great Depression haben Chaplin nicht unberührt gelassen, wie viele seiner Kollegen in der Filmbranche, sodass er beschloss, all diese Ideen in einem Film aufzugreifen, der den fast schon programmatischen Titel Moderne Zeiten trägt. Jedoch ist es falsch, Moderne Zeiten schlichtweg als ein Produkt seiner Zeit zu betrachten, denn auch auf die heutige Zeit bezogen, beispielsweise unsere zunehmende Abhängigkeit von Technologie scheint Chaplins Films vorwegzunehmen.
Moderne Zeiten ist einer der ambitioniertesten Filme Chaplins und seine Komik verweist auf Missstände in der Gesellschaft, jedoch ist er keineswegs technikfeindlich. Bedenkt man alleine die technische Brillianz vieler Sequenzen in Moderne Zeiten, beispielsweise wenn der Tramp in einer der vielem Maschinen der Fabrik eingesogen wird und nicht mehr nur metaphorisch ein Zahnrad im kapitalistischen Getriebe wird. Der Fortschrittsgedanke, der mit Technologie einhergeht, wird in Chaplins Film recht schnell aufgelöst, wenn ein Erfinder eine Maschine vorstellt, die es ermöglicht, dass der Arbeiter seine Tätigkeit nicht mehr für eine Mittagspause unterbrechen muss, sondern nun während der Fließbandarbeit seine Mahlzeit zu sich nehmen muss. Die Sequenz, die zweifellos zu den Highlights des gesamten Films gehört, ist sowohl ein Beleg für die physische Komik Chaplins und sein Minenspiel als auch ein cleverer Verweis auf Technik, die nur im Sinne des Profits ausgedacht wird. Die Idee, dass Fortschritt dem Wohl des Menschen dient und sein Leben verbessert, gilt eben nur für die, die es sich leisten können, weshalb folgerichtig der reiche Fabrikbesitzer zufrieden bei einer Zigarre und von einem Monitor aus, Anderen beim Arbeiten zusehen kann und dabei hin und wieder einem seiner Untergebenen neue Befehle gibt. Chaplin zeigt ein ausbeuterisches System, das durch das Elend auf den Straßen, noch gnadenloser geworden ist, wobei die Technik nicht mehr ist als ein Erfüllungsgehilfe für die Reichen – nur mit dem Unterschied, dass dieser Gehilfe weder murrt noch beschließt, für einen Streik die Arbeit niederzulegen.
Das liebe Geld
Dies ist jedoch nur ein Teilaspekt dieser intelligenten Films, der sich ebenso mit der Frage beschäftigt, wie es um die Träume der Menschen steht. Spätestens mit seiner Beziehung zum Straßenmädchen träumt auch der Tramp von einer gemeinsamen Zukunft, von einem Haus, einem reich gedeckten Tisch am Sonntagmittag und einer gelegentlichen Zigarre. Der Tramp ist ein unfreiwilliger Anarchist, der unverhofft in Schwierigkeiten kommt oder eben sich selbst Möglichkeiten schafft. Er ist aber auch ein Träumer, der nicht nur in Luftschlössern denkt, sondern bereit ist, für diese Träume etwas zu tun und sich zumindest ihnen anzunähern. Die gesellschaftlichen Umstände, die Armut, die Ausbeutung und die Autoritäten, die scheinbar nur im Sinne der Reichen handeln, spielen gegen ihn. Der Tramp wird zu einer Symbolfigur für die Träume und die Nöte vieler Menschen, die ein kleines Stück vom großen Kuchen abhaben wollen. Als Kunstfigur können ihm die zermürbenden Umstände niemals etwas anhaben, denn nach einer Abreibung oder einer unsanften Landung schüttelt er sich kurz und sucht nach einer anderen Lösung. Wie Paulene Goddards Figur, die ebenfalls nicht aufgibt und sich nimmt, was ihr zusteht, ist er ein Stehaufmännchen, das durch seine Kreativität, sein Improvisationstalent und manchmal auch eine seine Tollpatschigkeit versucht, dem Traum näher zu kommen. Chaplin zeigt an der Geschichte seiner beiden Figuren, wie es um diese Träume bestellt ist, ob sich Arbeit überhaupt noch auszahlt und was dies für den Zusammenhalt einer Gesellschaft bedeutet.
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