
Während seiner Zeit als Französischlehrer sprühte Lars Hammar vor Tatendrang und Enthusiasmus, den er mühelos auf seine Schüler übertrug. Am Tag seines Abschieds nahm er allen Anwesenden die Wehmut mit einem Stepptanz und erklärte, er hoffe auf einen neuen Lebensfrühling mit vielen weiteren Reisen nach Frankreich. Die Realität nach seiner Pensionierung sieht jedoch anders aus. Mit zunehmendem Alter und leichten körperlichen Beschwerden schwindet auch seine Motivation. Trotz eines engen Bandes zu seiner Familie verfällt er in Trägheit und zeigt erste Anzeichen einer Depression. Schließlich kann sein Sohn Filip dem langsamen, aber stetigen mentalen Verfall seines Vaters nicht länger zusehen. Zusammen mit einem Freund beschließt er, seinem Vater einen Roadtrip in sein geliebtes Frankreich zu schenken und ihm so zumindest ein Stück Vitalität und Lebensfreude zurückzugeben.
Die unterschätzen Gefahren des Alterns
Eine letzte Reise erzählt eine wahre Geschichte. Als persönlicher Dokumentarfilm begleitet er vorrangig die Frankreichreise eines Sohnes mit seinem Vater. Gleichzeitig wirft Eine letzte Reise ein Licht auf eine oft ignorierte oder unterschätzte Gefahr des Alterns. Unabhängig von Lebenslust und Tatendrang in jüngeren Jahren fällt es im Alter aus vielen Gründen schwer, sich diese Eigenschaften zu bewahren. Körperliche Gebrechen, Einsamkeit und selbst scheinbar harmlose Faktoren wie das plötzliche Übermaß an Zeit im Ruhestand führen leicht zu Müßiggang und dem Verfall in eine abstumpfende Routine. Letztere beschleunigt in nicht wenigen Fällen den geistigen Abbau bis hin zum Tod. Eine letzte Reise zeigt nicht nur, wie wichtig familiärer Rückhalt ist, um diesem Prozess entgegenzuwirken, sondern auch, wie hilflos sich Angehörige dabei fühlen können und wie dieses Gefühl der Ohnmacht in eine Übersteigerung vermeintlicher Hilfe münden kann.
Realität oder Reality-TV?
Die Protagonisten von Eine letzte Reise sind Vater und Sohn Lars und Filip Hammar, sowie Regisseur Fredrik Wikingsson, ein Freund der Familie. Während der Fokus auf Filip liegt, der mit stoischem Optimismus versucht, seinen Vater zu dieser Reise zu bewegen, vergisst man schnell, dass es sich um einen Dokumentarfilm handelt. Eine letzte Reise ist fast vollständig im Stil des Direct Cinema gedreht. Der Film verzichtet auf erklärende Voice-over oder Kommentare durch Außenstehende. Freunde, Familie und Passanten kommen nur zu Wort, wenn sie direkt ins Geschehen involviert sind. Dabei entsteht gelegentlich der Eindruck, eher einer Reality-TV-Produktion als einer klassischen Dokumentation beizuwohnen. Angesichts der Tatsache, dass die gesamte Reise mit der Kamera begleitet wurde, wirken manche emotionale Szenen unwirklich und die Reaktionen dadurch weniger authentisch. Dieses Gefühl von Inszenierung wird verstärkt durch einen Soundtrack, der an manchen Stellen zu offensichtlich bestimmte Gefühle beim Publikum hervorrufen soll. Gerade in den emotionalsten Momenten wirkt das oft eher kontraproduktiv.
Trotzdem bleibt Eine letzte Reise überwiegend glaubhaft und bietet viel Stoff zum Nachdenken. Filips unerschütterlicher Optimismus schwankt zwischen Beharrlichkeit und Verzweiflung. Es fällt leicht, sich in seine Lage hineinzuversetzen. Der Alterungsprozess ist unausweichlich, doch er lässt sich verlangsamen und als Freunde oder Familienmitglieder kann man zumindest versuchen, geliebten Menschen zu helfen, wenn sie in eine schädliche Routine oder Depression verfallen. Eine letzte Reise scheut sich dabei nicht, auch Risiken zu thematisieren. Filips Optimismus führt dazu, dass er körperliche Grenzen seines Vaters mitunter ignoriert. So drängt er ihn zu Vorhaben, die Lars physisch nicht mehr umsetzen kann. Bei aller Hoffnung macht der Film deutlich, dass das Alter seine ganz eigenen Grenzen setzt individuell und oft unumkehrbar. Letztlich endet Eine letzte Reise auf einem emotionalen Höhepunkt, der nicht nur die Liebe zwischen Vater und Sohn bewegend inszeniert, sondern dem Publikum auch das Gefühl gibt, an einem sehr intimen, zugleich authentischen Moment teilzuhaben.
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