Good Boy
Szenenbild aus Viljar Bøes "Good Boy" um ein tierisch verstörendes Date

Viljar Bøe [Interview]

Viljar Bøe ist ein norwegischer Drehbuchautor und Regisseur. Nach einer Reihe von Kurzfilmen, drehte er 2020 seinen ersten Langfilm To Freddy und zwei Jahre später den Thriller Theodor. Schon mit seinem ersten Film gelang ihm der Durchbruch auf zahlreichen Genrefestivals wie dem British Horror Film Festival oder dem Nevermore Film Festival. Mit seinem nunmehr vierten Langfilm Good Boy gelingt ihm vielleicht sogar der internationale Durchbruch, wenn man bedenkt, dass der Streifen auf Festivals wie den Fantasy Filmfest White Nights lief.

Anlässlich des Kinostarts von Good Boy am 22. Februar 2024 unterhalten wir uns mit dem Regisseur über die Entstehung des Filmes, die Themen und die Welt der Reichen, wie sie der Film darstellt.

Ich habe gelesen, dass Good Boy unter anderem von Fifty Shades of Grey und Die Schöne und das Biest inspiriert ist. Stimmt das?

Na ja, zunächst war da die Idee oder vielmehr das Bild einer Person in einem Hundekostüm, was mich einfach nicht mehr losließ. Danach suchte ich lange nach einer Geschichte, die man mit diesem Bild erzählen könnte, fand aber keine, bis ich mich fragte, wer überhaupt heute einen Hund halten würde. Es handelt sich dabei sicherlich nicht um einen mittelständischen Haushalt, denn es braucht sehr viel Zeit, Pflege und Geld, um einen Hund angemessen zu halten. Ich dachte also, es muss schon ein Millionär sein, und so landete ich bei Fifty Shades of Grey.

Fifty Shades of Grey und Die Schöne und das Biest haben insofern etwas gemein, als dass sie eine wohlhabende Person zeigen, zu der man als Zuschauer erst einmal auf Distanz geht. Erst mir der Zeit kann man sich für diese Figur etwas erwärmen und versteht sie besser. Etwas Ähnliches erzähle ich auch mit Good Boy.

Als ich Fifty Shades of Grey das erste Mal im Kino gesehen hatte, wollte ich eine Parodie drehen, wobei der Millionär sich einen anderen Mann als seinen persönlichen Hund hält. Je länger ich und mein Team über die Idee nachdachten, desto mehr entfernten wir uns davon, eine Parodie zu drehen.

Glaubt man IMDB, dann ist Good Boy eine Mischung aus Horrorfilm und Thriller, wobei ich eher finde, dass Liebesfilm und Sozialsatire besser passen würden. Wie siehst du das?

Wenn man an den Punkt kommt, an dem man einen Film vermarkten muss, bedient man sich solcher Labels, die es dem Marketingteam einfacher machen. Als wir die Geschichte schrieben oder später bei den Dreharbeiten waren, fiel es uns tatsächlich nicht leicht, ein solches Label zu finden. Ich würde die erste Hälfte von Good Boy tatsächlich als romantische Komödie betrachten, wohingegen der zweite Teil mehr in die Richtung geht, die du beschreibst. Das Besondere an Good Boy ist doch, dass er seinen Zuschauer an der Nase herumführt, weil es sogar dem Zuschauer nicht leicht fällt, den Film oder die Figuren einzuschätzen. Uns war es wichtig, einen Film zu machen, bei dem der Zuschauer meint, er oder sie kenne ihn, aber spätestens in der zweiten Hälfte vor den Kopf gestoßen wird.

Um aber auf deine Frage zurückzukommen, würde ich den Film als eine Mischung aus romantischer Komödie, Thriller und Satire bezeichnen.

Gard Fartein Løkke Goli und Katrine Lovise Øpstad Fredriksen spielen die Hauptrollen in Good Boy. Wie bist du auf diese beiden gekommen?

Als ich das Drehbuch zu Good Boy schrieb, hatte ich eine bestimmte Vorstellung, wie Christian zu sein hat. Auf der einen Seite kann er der charismatische Charmeur sein, doch andererseits auch ein Psychopath. Im Falle von Sigrid sollte sie als Figur sozusagen den Zuschauer repräsentieren, weil man einen Großteil der Geschichte mit ihr erlebt. Ich wollte einfach die beste Schauspielerin für die Rolle finden und die Figur dann für sie umschreiben, sofern das erforderlich war.

Als wir Gards Bewerbungsvideo sahen, war uns sofort klar, dass er der richtige Schauspieler für die Rolle des Christian sein würde. So ähnlich war es auch bei Katrine.

Welche Anweisung hast du dem Schauspieler gegeben, der letztlich Frank, den „Hund“, spielen würde, denn ich kann mir vorstellen, dass es schon schwierig ist bei so einer Rolle nicht zu einer Karikatur zu werden?

Frank wird eigentlich von zwei Menschen gespielt. Zum einen ist das Nicolai Narvesen Lied, der auch ausführender Produzent des Filmes ist, und zum anderen Marie Waade Grønning, ebenfalls Produzentin und Kostümdesignerin von Good Boy. Die Rolle ist körperlich sehr herausfordernd, weil man die ganze Zeit auf allen Vieren gehen muss, was sehr anstrengend ist. Darüber hinaus kann sie auch sehr demütigend sein, einfach weil man die ganze Zeit über sich wie ein Hund verhalten muss und entsprechend behandelt wird. Daher war es uns sehr wichtig, dass wir immer mit den beiden kommunizierten und sie uns Signale gaben, wenn sie etwas nicht machen wollten oder Probleme mit einer Szene hatten.

Good Boy zeigt, besonders in der zweiten Hälfte, auf überspitzte Weise die Mentalität einer Sorte Wohlhabender, wie es in gewisser Weise auch Fifty Shades of Grey tut. War das schon deine Absicht, als du die erste Idee zu Good Boy hattest?

Wie ich schon sagte, begann alles mit dem Bild eines Menschen in einem Hundekostüm, aber je mehr ich mich mit der Idee befasst, desto mehr wurde sie erweitert. In Good Boy geht es um Dominanz, Unterwürfigkeit und Machtverhältnisse, aber nicht auf eine sexuelle Weise, wie man vielleicht vermuten würde. Als ich mich näher mit der Figur Christian auseinandersetzte, schaute ich mir Dokumentationen über Narzissten und Soziopathen an. Diese haben die Tendenz, ihre Partner gefügig zu machen und einzusperren. Dies wollte ich in Good Boy aufgreifen.

Hunde gelten in vielen Kulturen als der beste Freund des Menschen. Dennoch kann die Beziehung zwischen Mensch und Tier von Ausbeutung, Gewalt und Abhängigkeit definiert sein. Hunde können, wenn sie nicht gehorchen, von ihren Herren bestraft werden, was mich in manchen extremen Fällen an eine von Missbrauch bestimmte Beziehung erinnert. Nicht umsonst sehen wir es als demütigend an, wenn ein Mensch einen anderen als einen Hund bezeichnet oder diesen gar so behandelt. In Good Boy geht es um eine solche Beziehung, in der außerdem noch die Verhältnisse sehr zu Ungunsten einer Seite ausfallen, was dem Missbrauch natürlich Tür und Tor öffnet.

Findest du eigentlich, dass Menschen generell es sich zu einfach machen, wenn sie von einem Fetisch reden anstatt über die Natur einer Beziehung nachzudenken?

Good Boy stellt sicherlich seine Zuschauer vor eine schwierige Prüfung. Die Beziehung, die Christian und Frank haben, wird viele bestimmt irritieren oder sogar für manche abnormal sein. Aber eigentlich ist dies doch nicht das, wovor man irritiert sein sollte, dafür gibt es genügend andere Aspekte in der Geschichte und den Figuren, die uns provozieren sollten. Es geht nicht darum, warum jemand sich ein Hundekostüm anzieht und sich wie einer benimmt, sondern viel eher sollte uns interessieren, wie dieser jemand behandelt wird. Viel wichtiger ist doch die Frage, ob dies im gegenseitigen Einverständnis passiert, oder nicht?

Ich denke, Filme können hier eine wichtige Rolle übernehmen. Filme oder generelle Geschichten können ihr Publikum mit Beziehungen oder Sachverhalten konfrontieren, die außerhalb des Erfahrungsschatzes vieler Menschen sind. Gerade hier sehe ich den Wert von Literatur, Kunst und Film.

Überhaupt denke ich generell, dass viele Zuschauer, aber auch Kritiker, sehr ungerecht mit den Figuren umgehen, insbesondere mit Sigrid. Viele bemängeln, dass sie als Studentin doch die vielen „red flags“ sehen müsste und sich anders entscheiden müsste. Das mag schon sein, aber in der Realität würde doch nur ein kleiner Teil die Gefahr erkennen, zum Helden werden oder sich wehren, besonders nicht in einer Beziehung, die von vornherein von Kontrolle und Gehorsam geprägt ist. Viele Menschen sind einfach zu gehorsam und hinterfragen zu wenig.

Hast du eine Lieblingsszene in Good Boy?

Meine Lieblingsszene ist Christians Zusammenbruch gegen Ende. Ich weiß, was Gard in diese Szene hineingesteckt hat und welche Überwindung es ihn gekostet hat, diesen Moment zu spielen. Wir wollten es auch nur einmal drehen, weil wir ihn dies nicht noch einmal durchmachen lassen wollten. Gott sei dank brauchten wir auch nur dieses eine Take.

Vielen Dank für das nette Gespräch.



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