Nie wieder schlafen
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Nie wieder schlafen

Pia Frankenberg Filme
„Nie wieder schlafen“ // Deutschland-Start: 14. Dezember 2023 (DVD)

Inhalt / Kritik

Rita (Lisa Kreuzer), Roberta (Gabriela Herz) und Lilian (Christiane Carstens) kennen sich schon  ein Leben lang und haben schon viel miteinander erlebt. Die Hochzeit einer gemeinsamen Freundin führt die drei Frauen nach Berlin. Während Roberta sich über die Auszeit von ihrem stressigen Familienleben freut, bedeutet der Ausflug für Rita eine erneute Begegnung mit einem alten Liebhaber, zu dem sie sich nach wie vor hingezogen fühlt, der aber schon bald für eine lange Zeit verreisen wird. Als die drei nach dem Fest wieder nach Hause wollen, hat ihr Auto eine Panne und sie können nicht mehr weiter. Schließlich müssen sie sich in der Stadt eine Bleibe für die Nacht suchen, doch keine von ihnen ist wirklich unglücklich darüber. Während der Nacht unternehmen sie einen ausgiebigen Streifzug durch die Berliner Kneipen und lernen dabei ein paar Männer kennen, die sie in Gespräche verwickeln.

Das Warten auf die Reparatur des Wagens dauert an und wird zunehmend zu einem Abrechnen mit dem bisherigen Leben für die drei Freundinnen. Neben Themen wie Beziehungen und Familie kommt immer wieder die Frage auf, wo man selbst steht und wie man sich entwickelt hat. Während Roberta und Lilian Gefallen daran finden, einem Fremden zu folgen und zu erfahren, welche Geschichte er wohl zu erzählen hat, trifft Rita eine folgenschwere persönliche Entscheidung für ihr Leben.

Ein Wiedererkennen

Nie wieder schlafen ist der letzte Spielfilm der Regisseurin und Drehbuchautorin Pia Frankenberg, die danach zwar noch ein paar Kurzdokumentation drehte, sich aber vornehmlich auf ihr Karriere als Schriftstellerin konzentrierte. Nach Brennende Betten und Nicht nichts ohne Dich kann man Nie wieder schlafen abermals als einen reinen Unterhaltungsfilm sehen, doch dieses Mal ist die Sichtweise auf die deutsche Gesellschaft noch viel offensichtlicher als in den vorherigen Filmen. Zudem ist Frankenbergs dritter Spielfilm als Gegenstück zu John Cassavetes Husbands zu verstehen, in dem die Biografie dreier Freunde sich in der Darstellung der gesellschaftlichen Realität bis zu einem gewissen Grade widerspiegelt. Nie wieder schlafen ist so etwas wie ein Innehalten nach einem einschneidenden Moment, ein Nachdenken und zugleich ein Blick auf eine ungewisse Zukunft, wobei man doch noch die Hoffnung hat, dass die Freundschaft erhalten bleibt.

Es ist schwierig und zugleich problematisch, die Aussage eines Filmes wie Nie wieder schlafen zu konkretisieren oder zu versuchen, diese auf einen Nenner zu bringen. In einem Statement zu ihrem dritten Spielfilm, anlässlich einer Retrospektive auf der Berlinale 2019, erklärt Frankenberg, dass es um ein „Wiedererkennen“ geht und weniger um eine konkrete Geschichte oder eine Identifikation mit den drei Hauptfiguren. Vieles in den Filmen der Regisseurin bleibt vage und in der Luft, doch gerade dieser Aspekt macht sicherlich auch den Reiz dieser Werke aus, die nicht konkret werden, aber immer wieder auf Wahrheiten hindeuten, die man nur allzu gut kennt.

Rita, Roberta und Lilian sind sehr unterschiedliche Figuren, denn während die eine ihre Freiheit und schätzt, sehnt sich die andere nach einem festen Halt in ihrem Leben, wohingegen die dritte im Bunde sich wiederum nach einem Ausbruch sehnt. Der Stillstand, verursacht durch den Schaden an ihrem Auto, ermöglicht eine solche Bestandsaufnahme, zunächst der Welt an sich, dann der Freundschaft und letztlich der eigenen Person. Entsprechend wirr mutet dann auch ihr Weg durch die Straßen der Hauptstadt an, die ebenso in einem Prozess der Findung begriffen ist wie die drei Hauptfiguren. Frankenbergs Inszenierung scheint sich treiben zu lassen von den Gefühlszuständen der drei Frauen, wirkt im besten Sinne improvisiert und zeigt dabei Wahrheiten, die teils komisch sind, teils aber auch sehr dramatisch und traurig.

Eine Versuchsanordnung

In dem bereits angesprochenen Statement spricht Frankenberg auch von einer „Versuchsanordnung“, die Nie wieder schlafen sein soll. Nur wenige Monate nach dem Fall der Mauer ist das Berlin, das Frankenberg in ihrem Film zeigt, in einem Zustand des Übergangs, unentschlossen, richtungslos und doch irgendwie hoffnungsvoll. Die an eine spontane Dokumentation erinnernden Sequenzen, in denen Christina Carstens Figur Passanten bei der Umbettung des Sarges von Friedrich dem Großen in Gespräche verwickelt oder später noch einmal beim Aufstellen von Teilen der Berliner Mauer für das Mauermuseum spiegeln diese Stimmung eindrucksvoll wider. Es sind zugleich Echos des Gemütszustandes der drei Heldinnen, die ebenfalls etwas versuchen wollen, entweder ausbrechen oder entschlossen weitergehen im Leben. Wie immer kommt die unverkrampfte Art, wie Frankenberg ihre Themen angeht und ihre Dialoge schreibt an diesen Stellen deutlich hervor, doch ebenso die tolle Chemie ihrer drei Hauptdarstellerinnen.

Credits

OT: „Nie wieder schlafen“
Land: Deutschland
Jahr: 1992
Regie: Pia Frankenberg
Drehbuch: Pia Frankenberg, Karin Åström
Musik: Loek Dikker
Kamera: Judith Kaufmann
Besetzung: Lisa Kreuzer, Gabriela Herz, Christiane Carstens, Ernst Stötzner, Michael Altmann, Leonard Lansink, Peter Lohmeyer, Klaus Bueb, Thomas Struck

Bilder

Trailer

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Nie wieder schlafen
fazit
„Nie wieder schlafen“ ist ein unterhaltsamer Film über das Treffen von drei Freundinnen, über ihre Versuche, aus ihrem bisherigen Leben auszubrechen oder mit diesem in Einklang zu kommen. Pia Frankenberg erzählt mit ihrem letzten Spielfilm eine Geschichte, die berührt, zum Lachen und zum Nachdenken bringt. Es ist ihr bester Film.
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