Blackbird Blackbird Blackberry
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Amsel im Brombeerstrauch

„Amsel im Brombeerstrauch“ // Deutschland-Start: 18. April 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Die 48-jährige Etero (Eka Chavleishvili) lebt allein in einem kleinen georgischen Dorf. Sie hat keine Familie, nur einen kleinen Laden, in dem die anderen Dorfbewohner Waren des täglichen Bedarfs einkaufen. Männer, Ehe, Kinder – nach Eteros Meinung braucht all das kein Mensch und es bringt nur Leiden mit sich. Dass ihre Freundinnen sich über sie das Maul zerreißen, stört sie nicht. Schließlich findet sie deren Alltag, der voller Beziehungen, Belastungen und Verpflichtungen steckt, unerträglich und ist fest davon überzeugt, mit ihrem Einzelgängerinnendasein die bessere Wahl getroffen zu haben. Als sie sich jedoch ganz plötzlich und unerwartet in eine Affäre mit dem höflichen und charmanten Murman (Temiko Chichinadze) hineinstürzt, werden ihre Welt und ihre Überzeugungen auf den Kopf gestellt. Einerseits versucht sie, die Beziehung mit allen Mitteln geheim zu halten. Andererseits muss sie aber feststellen, dass einige ihrer Überzeugungen möglicherweise doch nicht so unverrückbar sind, wie sie immer dachte. Außerdem wird klar, wie sehr Etero und ihre Lebensweise das Produkt ihrer eigenen, problematischen Familiengeschichte sind.

Der Körper als Mittel zum Zweck

Amsel im Brombeerstrauch feierte 2023 in einer Parallelsektion des Filmfestivals von Cannes, “Director’s Fortnight” (“Quinzaine des Cinéastes”), seine Premiere. Basierend auf einem Roman von Tamta Melashvili macht es einem der Film anfangs nicht leicht, zu seiner Hauptfigur Zugang zu finden. Etero scheint nie zu lächeln, spricht nicht mehr als nötig und genießt es, allein zu sein. In den ersten Szenen des Films sammelt sie an einem steilen Abhang neben einem Fluss Brombeeren, rutscht dabei ab und verletzt sich. Die Schürfwunden, die sie dabei davonträgt, ignoriert sie, so gut es geht. Überhaupt hat sie zu ihrem Körper ein ziemlich pragmatisches Verhältnis. Die Notwendigkeit, sich einen Partner zu suchen oder Sex zu haben, hat sie bislang nie gesehen. Warum sollte sie körperliche Nähe zulassen und womöglich sogar Kinder bekommen, wenn all dies ihrer Meinung nach doch nur zu Stress und schnellerem körperlichen Verfall führt?

Elene Naveriani inszeniert Eteros eintönig wirkenden Alltag in ruhigen, fast schon lethargisch und depressiv wirkenden Bildern. Vielleicht es auch einfach der Mut zur Langsamkeit und Nacktheit ihrer Hauptdarstellerin Eka Chavleishvili sowie die Verweigerung jeglichen Glamours, die diesen Eindruck erzeugen bzw. verstärken. Chavleishvili nimmt sich als Etero zurück und zeigt eine Frau, die nicht den Drang verspürt, durch große Gesten oder ausgeprägtes Sozialverhalten auf sich aufmerksam machen und Kontakt zu anderen herstellen zu wollen. Allerdings verraten Eteros Augen regelmäßig ihre Gefühle; meisterhaft stellt Chavleishvili auf diese Weise immer wieder einen Kontrast zu Eteros ansonsten minimalen Gefühlsausdrücken her.

Der langsame Wandel zum Glück

Glücklich sieht Etero jedenfalls lange Zeit nie aus. Schnell vermutet man, dass es einen Grund für ihre Abkapselung vom sozialen Umfeld geben muss. Diesen liefert der Film dann auch, übererklärt die Hintergründe aber dankenswerterweise nicht. Wenn Etero etwa die Porträts ihrer Eltern von der Wand ihrer karg eingerichteten Wohnung nimmt, die dort offenbar jahrzehntelang gehangen haben, dann sagt das auch ohne Worte viel aus. Nach der ersten, stürmischen und vollkommen unerwartet kommenden Annäherung an Murman ist sie sichtlich verwirrt. Einerseits sehnt sie sich nach Murmans Nähe, andererseits ist ihr diese Sehnsucht nicht geheuer. „Wenn Ehe und Schwänze glücklich machen würden, dann wären viele Frauen glücklich“, schleudert sie ihren Freundinnen entgegen. „Aber schaut euch doch um, wer ist denn hier glücklich?“

Dass sie durch ihre Abschottung das Glück der anderen nur nicht sehen und schon gar nicht ihr eigenes zulassen kann, wird ihr im Laufe ihrer Affäre mit Murman bewusst. Als sie mit ihm im Auto sitzt und das Autoradio ein französisches Chanson spielt, umspielt zum ersten Mal im Film ein Lächeln ihre Lippen. Die allmähliche Wandlung ihrer Figur von der nach außen harten und gefühlskalten Frau hin zu einer offeneren Person macht der Film hervorragend deutlich – gerade, weil diese Wandlung sich nur sehr langsam vollzieht und auch am Ende des Films noch längst nicht abgeschlossen ist. Das Ende ist es allerdings auch, welches als einziges Element beim Zuschauer für ein Stirnrunzeln sorgt. Denn es kommt etwas zu klischeehaft und erwartet daher. Für einen Moment fühlt man sich in eine Soap Opera versetzt. Allerdings weckt dieses Ende gleichzeitig die Neugier darauf, zu wissen wie es weitergeht. Und das spricht wiederum eindeutig für den Film.

Credits

OT: „Blackbird Blackbird Blackberry“
Land: Schweiz, Georgien
Jahr: 2023
Regie: Elene Naveriani
Drehbuch: Nikoloz Mdivanim, Elene Naveriani
Vorlage: Tamta Melashvili
Kamera: Agnesh Pakozdi
Besetzung: Eka Chavleishvili, Temiko Chichinadze

Bilder

Trailer

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Amsel im Brombeerstrauch
fazit
Langsam, ohne inszenatorischen oder schauspielerischen Firlefanz entfaltet „Blackbird Blackbird Blackberry“ konsequent den Charakter einer von ihrer familiären Vergangenheit geprägten Frau, die sich allmählich dem Leben öffnet.
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