125, rue Montmartre Tatort Paris
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Tatort Paris

125, rue Montmartre Tatort Paris
„Tatort Paris“ // Deutschland-Start: 1. April 1960 (Kino) // 25. Juli 2022 (DVD)

Inhalt / Kritik

Eigentlich wollte der Zeitungsverkäufer Pascal (Lino Ventura) nur eine kleine Pause an der Seine machen, als er sieht, wie sich ein Mann (Robert Hirsch) im Fluss ertränken will. Dieser stellt sich anschließend als Didier Barrachet vor und klagt ihm sein Leid: Seine Frau wolle ihn in den Wahnsinn treiben, um an sein Geld zu kommen. Da Didier keinen Ausweg mehr sehe, wolle er sich das Leben nehmen. Da er offensichtlich nicht zurück nach Hause kann, fasst sich Pascal ein Herz und lädt das verzweifelte Häufchen Elend erst einmal zu sich nach Hause ein. Auch sonst kümmert er sich erst einmal um seine neue Bekanntschaft und lässt sich sogar dazu breitschlagen, Didiers Frau Catherine (Andréa Parisy) aufzusuchen, um sie zum Einlenken zu bewegen. Dabei ahnt er noch nicht, auf welche Geschichte er sich da eingelassen hat …

Wo ist das Verbrechen?

Auch wenn es Krimis in den verschiedensten Formen und mit den verschiedensten Themen gibt, ganz klassisch folgt er doch einem Gesetz: Am Anfang wird eine Leiche gefunden oder eine andere Form des Verbrechens entdeckt, am Ende wird der oder die Schuldige überführt. Bei Tatort Paris ist das ein wenig anders. Zwar muss auch hier ein Verbrechen aufgeklärt werden. Dieses findet aber gar nicht zu Beginn des Films statt. Tatsächlich müssen die Zuschauer und Zuschauerinnen so lange darauf warten, bis mal wirklich etwas passiert, dass zwischendurch Zweifel aufkommen, ob es sich hierbei überhaupt um einen Krimi handelt. Denn wie kann es einen Krimi geben, ohne dass irgendwelche kriminellen Aktivitäten stattgefunden haben? Allenfalls das mögliche Verhindern eines Verbrechens käme in Frage.

Aber auch das spielt zunächst keine Rolle. Stattdessen konzentriert sich die Adaption des Romans 125, rue Montmartre von André Gillois auf das Verhältnis zwischen den beiden Männern. Die sind auf den ersten Blick natürlich grundverschieden. Pascal ist ein gutmütiger, letztendlich aber recht grober Mensch, dessen Leben aus unverbindlichem Sex und Essen besteht. Didier wiederum ist ein weinerlicher Typ, der mit seinem ständigen Gejammer nicht nur seinen Lebensretter in den Wahnsinn treibt. Auch als bloße Zuschauer und Zuschauerinnen mit dem entsprechenden Abstand darf man von dem Mann ein bisschen genervt sein. Ein solcher Kontrast wird in Filmen oft und gern zu humoristischen Zwecken genutzt. Fast alle Buddy Movies greifen darauf zurück und wollen das Publikum auf diese Weise unterhalten. Nicht so Tatort Paris.

Zwischen Milieustudie und Unsinn

Regisseur und Co-Autor Gilles Grangier nutzt die Konstellation vielmehr, um auf diese Weise mehr über das Milieu zu erzählen, aus dem Pascal kommt. So streifen wir mit den beiden umher, lernen eine Reihe von Figuren kennen, die mit dem „Fall“ letztendlich gar nichts zu tun haben, aber doch einiges zu der Atmosphäre beizutragen haben. Die hat es auch in sich. Tatort Paris ist ein nach wie vor sehenswerter Film, der vieles ganz beiläufig erzählt. Später, wenn die Geschichte doch mal an Fahrt aufnimmt und Gillois die eine oder andere Wendung einbaut, wird auch die Spannung allmählich erhöht. Der aufbrausende und tatkräftige Art von Pascal nimmt gewohnt die Sache in die eigene Hand, was zu einem unterhaltsamen Finale beiträgt.

Lino Ventura (Die Filzlaus, Armee im Schatten) ist da mal wieder eine Idealbesetzung. Es gelingt ihm, die verschiedenen Seiten seiner Figur zu verdeutlichen und trotz der Schlichtheit einen spannenden Charakter daraus zu machen. Auch der Film selbst hat mehr Nuancen, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Gerade im Hinblick auf soziale Gefüge gibt es hier schon einigen Stoff, über den man nachdenken kann. An anderer Stelle sollte man hingegen besser nicht weiter nachdenken. Tatsächlich ergeben viele Punkte in Tatort Paris überhaupt keinen Sinn, sofern man nicht davon ausgeht, dass Menschen sich ganz grundsätzlich dämlich verhalten. Wer darüber hinwegsehen kann, dass das hier kein Beispiel raffiniertester und ausgeklügelter Krimikunst ist, kann mit dem Film aber noch immer seine Freude haben.

Credits

OT: „125, rue Montmartre“
Land: Frankreich
Jahr: 1959
Regie: Gilles Grangier
Drehbuch: Jacques Robert, Michel Audiard, André Gillois, Gilles Grangier
Vorlage: André Gillois
Musik: Jean Yatove
Kamera: Jacques Lemare
Besetzung: Lino Ventura, Andréa Parisy, Robert Hirsch, Dora Doll, Alfred Adam, Jean Desailly

Bilder

Trailer

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Tatort Paris
fazit
„Tatort Paris“ ist ein etwas ungewöhnlicher Krimi, wenn über lange Zeit kein wirkliches Verbrechen vorliegt. Stattdessen handelt der Film zunächst von zwei grundverschiedenen Männern und ist mehr Milieustudie als Genrebeitrag. Erst später nimmt die Geschichte Fahrt auf. Das ist durchaus spannend und unterhaltsam, auch wenn einiges überhaupt keinen Sinn ergibt.
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