Alice 2022 Schwarzer TV Fernsehen Das Erste ARD Mediathek
© rbb/Alexander Fischerkoesen

Alice (2022)

Alice 2022 Schwarzer TV Fernsehen Das Erste ARD Mediathek
„Alice“ // Deutschland-Start: 30. November 2022 (Das Erste)

Inhalt / Kritik

Paris, 1964: Alice Schwarzer (Nina Gummich) lebt in Frankreich und träumt von einer Karriere als Journalistin. Auch privat scheint ihr Weg vorgezeichnet, ist sie doch glücklich mit Bruno (Thomas Guené) liiert. Als jedoch eine Freundin ungewollt schwanger wird und eine Abtreibung durchführen lassen muss, wird das auch für Alice zu einem Schlüsselmoment. Denn Abtreibung ist damals illegal, schon der Versuch kann eine Gefängnisstrafe nach sich ziehen. Für die junge Deutsche ist das nicht annehmbar. Gemeinsam mit Gleichgesinnten kämpft sie nicht nur für die Legalisierung, sondern entdeckt allgemein das Thema Gleichberechtigung von Frauen für sich. Mit ihrer Arbeit als Aktivistin und Journalistin eckt sie schon bald gehörig an – findet aber auch regen Zuspruch …

Leben und Wirken einer Feminismus-Ikone

Alice Schwarzer gehört ohne Zweifel zu den bedeutendsten und bekanntesten Journalistinnen der deutschen Geschichte. Aber auch zu den umstrittensten. Von Anfang an ging sie keiner Kontroverse aus dem Weg, suchte sie zum Teil. Daran hat sich in den späteren Jahren nicht viel geändert. So irritierte sie zuletzt durch ihre Aussagen zu Transsexualität und dem Krieg in der Ukraine, was nicht wenige fragen ließ, ob sie überhaupt noch relevant ist in einer sich rasch verändernden Welt. Zum Ausgleich gibt es gleich zwei Filme in kurzer Abfolge, die über das Leben und Wirken der Publizistin sprechen und damit an deren historischen Bedeutung erinnern. Zuerst kam der Dokumentarfilm Alice Schwarzer, in dem vor allem sie selbst zu Wort kam. Nun folgt der ARD-Zweiteiler Alice, der mit einem bekannten Ensemble vor allem die frühen Jahre in ihrer Karriere nachzeichnet.

Das ist ohne jeden Zweifel spannend. In einem Jahr, in dem Abtreibungsgegner in den USA einen schweren Sieg errangen, ist gerade dieses Thema erschreckend relevant. Auch die #MeToo-Debatte ist natürlich thematisch eng mit dem verbunden, wovon Schwarzer seinerzeit sprach. Sexueller Missbrauch oder Vergewaltigung in dem Sinne kommt in Alice zwar nur sehr am Rand vor. Dafür spielt bei ihr die tägliche Unterdrückung der Frauen eine große Rolle. Also eine solche, die sich innerhalb der Legalität tagtäglich abspielt. Zum Teil ist die Protagonistin selbst ein Opfer davon. Zwar hat sie in Bruno einen Mann gefunden, der ihr tatsächlich die gewünschten Freiheiten zugesteht und bei ihren Entscheidungen hinter ihr steht. Beruflich hat sie aber schon sehr zu kämpfen in einer Männerwelt, bei den Frauen wenig zu sagen haben. Und noch weniger zu schreiben.

Viel Streit, mäßiger Tiefgang

Interessant ist das vor allem als Einblick in eine Zeit des Umbruchs, in der Rechte nach und nach erkämpft wurden, die heute als selbstverständlich gelten. Oder zumindest als möglich. Da hat sich in den vergangenen Jahrzehnten doch einiges getan. Vergleichbar zu Das Ereignis muss das Publikum hier mitansehen, welche hohen Hindernisse eine Abtreibung mit sich brachte – für viele endete eine solche im Gefängnis oder führte zum Tod. Auch die Arbeit der Aktivistinnen und der Blick hinter die Kulissen der Medienlandschaft sind selbst mit großem zeitlichem Abstand spannend. Zumal es dabei zu zahlreichen internen Auseinandersetzungen kommt, etwa innerhalb der Frauenbewegung, bei denen es doch überraschend große Unterschiede gab. Auch wenn die Ziele ähnlich waren, einer Meinung war man sich deshalb nicht zwangsläufig.

Umso bedauerlicher ist, dass diese Auseinandersetzungen hier nur stichpunktartig erfolgen. Das legendäre TV-Streitgespräch zwischen Schwarzer und Esther Vilar (Katharina Schüttler) ist beispielsweise sehr dünn. Es ist auch einseitig beschrieben: Während Schwarzer als Heldin porträtiert wird, werden die Anfeindungen, die Vilar ertragen musste, nicht angesprochen. Dass sie von mehreren Frauen verprügelt wurde und als Reaktion auf Morddrodhungen das Land verlassen musste, ist Teil einer Wahrheit, die nur verkürzt in Alice wiedergegeben wird. Die Diskussionen, die Schwarzer mit anderen Frauenrechtlerinnen führt, werden auch schnell wieder abgewürgt. Obwohl der Film knapp drei Stunden lang ist, reicht das dann doch nicht aus, um den diversen angeschnittenen Themen gerecht zu werden.

Gut gespielter Diskussionsstoff

Damit verbunden ist ein Makel, den solche biografischen Filme oft haben: Sie neigen dazu, die Hauptfigur nicht sonderlich kritisch zu hinterfragen. Nur hin und wieder traut sich Alice, die tatsächliche Ambivalenz der Protagonistin offen anzusprechen, etwa wenn sie ihre Mitstreiterinnen vergrault und anderen ihre Meinung vorschreiben möchte – was bei dem Thema Gleichberechtigung für Frauen zumindest Fragen aufwirft. Doch auch wenn eine tiefere Auseinandersetzung wünschenswert gewesen wäre, sehenswert ist die TV-Produktion auf jeden Fall. Mit Nina Gummich (Der Passfälscher) wurde eine Schauspielerin gefunden, der es tatsächlich gelingt, das Vorbild im Hinblick auf Mimik und Sprache zu imitieren. Wer Interesse für die Themen Schwarzers hat, findet hier daher genügend Gründe, für die es sich einzuschalten lohnt. Und vielleicht auch den einen oder anderen Ansatz für weitergehende Diskussionen.

Credits

OT: „Alice“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Nicole Weegmann
Drehbuch: Daniel Nocke, Silke Steiner
Musik: Florian Van Volxem, Sven Rossenbach
Kamera: Alexander Fischerkoesen
Besetzung: Nina Gummich, Thomas Guené, Isabel Thierauch, Katia Fellin, Vidina Popov, Lou Strenger, Naemi Florez, Gabriele Schulze, Rainer Bock

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Alice (2022)
fazit
„Alice“ zeichnet die frühen Jahre der einflussreichen, aber auch kontroversen Journalistin und Publizistin Alice Schwarzer nach. Das ist gerade als Einblick in eine Zeit des Umbruchs interessant, zumal die Protagonistin gut verkörpert wird. Trotz einer Laufzeit von knapp drei Stunden bleibt aber einiges an der Oberfläche, eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Themen und Thesen Schwarzers findet nicht statt.
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