Heikos Welt
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Heikos Welt

Heikos Welt
„Heikos Welt“ // Deutschland-Start: 26. Mai 2022 (Kino) // 2. Dezember 2022 (DVD/Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Heiko (Martin Rohde) kommt ganz gut klar mit seinem bescheidenen Leben. Er wohnt noch mit seiner Mutter Belinda (Heike Hanold-Lynch) zusammen in deren kleiner Wohnung, bezieht Hartz IV und verdient sich mit gelegentlichen Hehlereien etwas dazu. Zusammen reicht das, um jeden Tag in der Kneipe einen draufzumachen. Die ist sozusagen Heikos Wohnzimmer, dort trifft er andere Typen, die ähnlich drauf sind wie er. „Schön gefeiert?“, fragt Mutti liebevoll, wenn Heiko zum Mittagessen in die Küche schlurft. Aber Heikos heile Welt ist bedroht. Immer öfter schmeckt Mamas Essen, das sie so liebevoll für ihren längst erwachsenen Sohn zubereitet, merkwürdig. Irgendetwas gehört da nicht rein – etwas, das Belinda in ihrer halben Blindheit für etwas anderes gehalten hat, Vanille in der Mettwurst etwa. Die Hausfrau, die von Witwenrente lebt, leidet an der seltenen Augenkrankheit Keratokonus. Eine Operation könnte helfen, doch die zahlt die Kasse nicht. Da trifft es sich gut, dass Heiko gerade sein Talent fürs Dart-Spielen entdeckt. Beim anstehenden Kneipen-Dart-Turnier gibt es 5000 Euro zu gewinnen.

Trinken und Trainieren

Man muss zu Heikos Begabung für das Werfen von Pfeilen, die aufgrund einer Kneipenwette ans Licht kommt, sagen, dass sie etwas mit seinem Alkoholpegel zu tun hat. Nüchtern würde der junge Mann vielleicht nicht mal die Scheibe treffen. Und man muss ein Wort über den sogenannten „Futschi“ verlieren. Das ist ein Getränk, das vor allem in Berlin bekannt ist. Für den Rest der Republik hilft Wikipedia weiter: „Futschi, auch Fudschi, ist ein Longdrink, der aus Cola und Weinbrand (auch Weinbrand-Verschnitt) gemischt wird“. Heiko jedenfalls liebt Futschis, er trinkt sie zum Gerstensaft so wie andere den Korn zum Hellen. Heikos Welt ist somit auch ein Film übers Trinken. Und weil der junge Dartspieler schon vor seiner Entdeckung ein geübter Trinker war, braucht er ordentlich Stoff, um auf Wettkampfniveau zu kommen. Der Laie kann angesichts solcher Mengen nur staunen.

Das alles erzählt Regisseur Dominik Galizia mit einem Heidenspaß an seinem Hauptdarsteller, an der Berliner Kneipenkultur und an den skurrilen Typen, die dort am Tresen hängen. Die Kamera wirft einen liebevollen Blick auf das, was man früher das „Lumpenproletariat“ genannt hätte: Leute ohne Arbeit, Verlierer, Überlebenskünstler. Der Film gibt ihnen ihre Würde zurück, gerade weil der Regisseur und Drehbuchautor mit vielen Laien gearbeitet hat, die einfach sich selbst spielen. Auch die Kneipen sind echt: heruntergekommene Lokale, die es so nur in Berlin gibt. Franz Rogowski ist der einzige bekannte Darsteller, aber er spielt nur eine winzige Rolle, schaut quasi wie in einem Cameo-Auftritt mal vorbei, als Gruß an den befreundeten Regisseur und als Erinnerung an Figaros Wölfe (2017), den Erstling von Dominik Galizia, in dem Rogowski einen wichtigeren Part hatte.

Liebevoller Blick

Zu den Pluspunkten des Films zählt sein liebevoller Blick auf Heiko und auf das herzlich enge Mutter-Sohn-Verhältnis. Die Schwächen hängen hingegen mit dem Mangel an klaren Entscheidungen zusammen. Heikos Welt ist keine richtige Komödie, dazu fehlen ihm Tempo und Timing. Er ist aber auch kein Drama, dazu kommt der Konflikt um die drohende Erblindung zu beiläufig daher. Sämtliche komischen und tragischen Momente erscheinen eher wie eine Ausrede, um durch die Kneipen ziehen zu dürfen, Berliner Originale zu treffen und sich permanent an einer schier unglaublichen Trinkfestigkeit zu erfreuen. Ein Milieufilm also, aber als solcher gerät er mit fast zwei Stunden entschieden zu lang. Wiederholungen bleiben nicht aus, immer gleiche Trinkrituale und die immer gleiche Typenkomik. Die Jury des Filmfests München, wo der Film Premiere hatte, sah das freilich anders. Dort, in der Reihe „Neues Deutsches Kino“ erhielt Rohde den Förderpreis in der Kategorie Schauspiel. Die Jury lobte seine uneitle und anrührende Darstellung.

Credits

OT: „Heikos Welt“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Dominik Galizia
Drehbuch: Dominik Galizia
Musik: Andy Schlegel
Kamera: Elias Köhler
Besetzung: Martin Rohde, Leyla Roy, Heike Hanold-Lynch, Hans Jürgen Alf, Franz Rogowski, Gerdy Zint

Bilder

Trailer

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Heikos Welt
Fazit
„Heikos Welt“ ist eine Hommage an die Berliner Kneipenkultur. Der zweite Film des Regisseurs Dominik Galizia krankt allerdings an Längen und Wiederholungen.
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