Auf dünnem Eis ZDF TV
© ZDF/Stephanie Kulbach.

Auf dünnem Eis

Inhalt / Kritik

Auf dünnem Eis ZDF TV
„Auf dünnem Eis“ // Deutschland-Start: 20. September 2021 (ZDF)

Der Schutzengel von Köchin Ira (Julia Koschitz) scheint sich eine Auszeit genommen zu haben, nichts läuft rund im Leben der jungen Mutter. Ex-Mann Bernhard (Markus Gertken) hat sich wegen einer neuen Liebe davongemacht. Jetzt soll sie die Wohnung im teuren Berlin allein bezahlen und kann froh sein, den Job in der hektischen Küche des edlen Restaurants noch zu haben, der sie bis in die Nachtstunden beansprucht. Um den 9-jährigen Sohn Lukas (Bruno Grüner) muss sich in dieser Zeit Großmutter Karen (Gudrun Gabriel) kümmern, der ihre eigenen Probleme über den Kopf wachsen und die sich bis zur Erschöpfung verausgabt. Zu allem Übel gesellt sich in einer bitterkalten Nacht ein dummer Unfall. Als Ira rückwärts auf ihren Stellplatz in der Tiefgarage des Wohnblocks einparkt, fährt sie dem obdachlosen Markus (Carlo Ljubek) über den Fuß, der dort mit seinem Hund die Nacht verbringt. Ira stellt sich ihrer Schuld und bringt den Mann in die Notaufnahme. Doch damit ist die Sache nicht erledigt. Schwankend zwischen Abwehr und Hilfsbereitschaft nähert sich die junge Frau dem Penner an und versucht, ihm einen Weg zurück ins bürgerliche Leben zu bahnen.

Heikles Thema

Obdachlosigkeit ist kein einfaches Thema für einen Spielfilm. Wie sollen sich Drehbuchautoren und Regisseure einfühlen in eine Existenz, die weder sie selbst noch Freunde oder Bekannten je am eigenen Leib erlebt haben? Viel leichter haben es die Kollegen vom dokumentarischen Fach. Sie können die Betroffenen selbst zu Wort kommen lassen, müssen keine Spekulationen anstellen über das Wie und Warum. Wie etwa in draußen (2018), in dem sich die Regisseurinnen Johanna Sunder-Plassmann und Tama Tobias-Macht für die wenigen Habseligkeiten interessieren, die vier Wohnungslose mit sich herumtragen. Darüber lässt sich elegant die Brücke zu deren Schicksal schlagen.

Auch die fiktive Geschichte von Auf dünnem Eis hat eine Basis im realen Leben. Produzentin Beatrice Kramm begegnete im Jahr 2012 einem Wohnungslosen, der sich auf ihrem Stellplatz eingerichtet hatte und dort für einige Wochen lebte. Sie versuchte vergeblich, mit dem Mann in Kontakt zu treten und ihm zu helfen. Trotz zweistelliger Minusgrade wollte er in Ruhe gelassen werden.

Beatrice Kramm hat ihre Erlebnisse aber nicht selbst zu einer dramatischen Geschichte verdichtet, sondern den Stoff weitergereicht an Drehbuchautorin Silke Zertz und Regisseurin Sabine Bernardi. Die haben daraus ein Sozialdrama gemacht, das vor rührseligen Klischees nicht zurückschreckt. Vielleicht im Bewusstsein, dass nicht nur die Protagonisten Ira und Markus auf dünnem Eis wandeln, sondern der ganze Film, versuchen sie, den Boden zu verstärken und packen in den ZDF-Film so ziemlich alles hinein, was die Metropole Berlin an Missständen hergibt.

Überladen von Problemen

Überdeutlich wird an explodierende Mieten und Wohnungsnot erinnert, in einer Nebenhandlung die ausbeuterische Mentalität reicher Villenbesitzer angeprangert, im Vorbeigehen der Stress des Arbeitslebens mit seinen befristeten Verträgen gestreift. Und natürlich kommen die Vorbehalte gegenüber Leuten, die auf der Straße übernachten, nicht zu kurz. Inklusive der Absurdität bürokratischer Hürden, die für jemanden wie Markus allein niemals zu überspringen wären, hätte er nicht die pragmatisch-clevere Ira an seiner Seite.

Die Handlung ist allerdings nicht nur überladen, sondern steckt voller Zugeständnisse an ein familientaugliches TV-Format. Sie kombiniert die Welt der Clochards mit einem Ehedrama von der Stange und einem lieblos zusammengeschusterten Potpourri von der Doppel- und Dreifachbelastung allein erziehender Frauen. Das Schlimmste ist allerdings, dass die verschiedenen Erzählstränge gegen Ende zu einer Botschaft zusammengezogen werden, die dem aufklärerischen Impetus des ästhetisch unauffälligen Films diametral widerspricht: Helfen lohnt sich angeblich nicht. Das haben die, die über Iras menschliche Regung die Nase rümpften, von Anfang an gewusst.

Credits

OT: „Auf dünnem Eis“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Sabine Bernardi
Drehbuch: Silke Zertz
Musik: Daniel Sus, Matthias Klein
Kamera: Bernhard Keller
Besetzung: Julia Koschitz, Carlo Ljubek, Bruno Grüner, Markus Gertken, Gudrun Gabriel, Hans Klima

Bilder

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

„Auf dünnem Eis“ ist ein Fernsehfilm, der sich an seinem Thema verhebt. Unterm Strich trägt das Eis nicht, das unter einer überladenen Themenlast einbricht.
Leserwertung80 Bewertungen
2.8
3
von 10