Goldjungs
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Goldjungs

Inhalt / Kritik

Goldjungs
„Goldjungs“ // Deutschland-Start: 5. Mai 2021 (Das Erste)

Köln in den 1970ern: Mit der schillernden Finanzwelt hatte Marie Breuer (Michelle Barthel) bislang nur wenig Kontakt. Schließlich stammt die 20-Jährige aus einfachen Verhältnissen, ihre alleinerziehende Mutter (Bettina Stucky) hält sich mit Näharbeiten über Wasser. Das ändert sich, als Marie eine Stelle als Sekretärin bei der Bank von Iwan D. Herstatt (Waldemar Kobus) erhält. Denn dort werden Summen bewegt, von denen sie selbst nur träumen kann. Während sie sich anfangs noch dagegen wehrt, bei den riskanten Spekulationen der Bank mitzumachen, wird mit der Zeit die Versuchung des schnellen Geldes immer größer. Vor allem Mick Sommer (Tim Oliver Schultz) und die anderen Goldjungs, die mit dem Devisenhandel ein Vermögen verdienen, verführt sie zu einem größeren und luxuriöseren Leben …

Die kriminelle Gier

Eigentlich sollte man meinen, der Bankencrash von 2008, als der Niedergang der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers ein weltweites Beben auslöste, hätte die Menschen sensibilisiert, dass Mauscheleien zum Zwecke der Gewinnmaximierung sehr gefährlich sein können. Aber daraus wurde wohl nichts. Fragwürdige Bankengeschäfte boomen erneut. Der Skandal um die Wirecard-Pleite verdeutlicht, dass kriminelle Energie und Gier im Finanzsektor eng miteinander verknüpft sind. Damit verbunden sind erneut eine mangelnde Transparenz und Akteure, die sich ihrer Verantwortung entziehen. Der Rest darf es dann ausbaden.

Da ist es doch irgendwie passend, wenn auch etwas ernüchternd, wenn Goldjungs an einen anderen Bankencrash erinnert. Die in der ARD-Produktion erzählte Geschichte liegt zwar schon einige Jahrzehnte zurück. Auch die Art der Investition unterscheidet sich, wenn hier vor allem Devisen-Spekulationen im Mittelpunkt steht. Die Art und Weise, wie die Figuren agieren, kommen einem hingegen erschreckend bekannt vor. Angetrieben von einer nicht zu bezwingenden Gier nehmen sie immer größere Risiken auf sich, sehen nur noch die potenziellen Gewinne, während sie die potenziellen Gefahren ausblenden. Schlimmer noch: Sie verhindern, dass andere diese Gefahren sehen, indem sie systematisch betrügen und verschleiern. Niemand sollte sich ihnen in den Weg stellen bei der Jagd nach dem schnellen Geld. Nicht einmal die Wahrheit.

Der Skandal als Satire

Ein solcher Stoff bietet sich natürlich für Verschwörungsthriller an oder auch Dramen, welche die Schicksale der Opfer näher beleuchten. Stattdessen hat der auf humorvolle Produktionen spezialisierte Regisseur Christoph Schnee (Matze, Kebab und Sauerkraut) eine Komödie daraus gemacht. Genauer begegnet er dem Thema und den Figuren mit Spott und Satire. Er zeigt uns Menschen, die völlig den Bezug zur normalen Welt verloren und sich ihr eigenes Paralleluniversum erschaffen haben. Das ist völlig überspitzt, die Charaktere sind irgendwo zwischen Karikatur und Witzfigur angelegt. Da liegen Vergleiche zu The Wolf of Wall Street natürlich auf der Hand, auch wenn die dortigen Eskalationen mit mehr Sympathiepunkten verbunden war. In der Bank von Goldjungs laufen fast ausschließlich Leute herum, die so selbstverliebt und arrogant sind, dass man ihnen den Crash geradezu herbeiwünscht. Da war das beim US-Kollegen doch noch etwas ambivalenter.

Dabei zeigt das Drehbuchteam Eva und Volker A. Zahn (Das Leben danach), dass potenziell jeder sich zu einem solchen Leben verführen lässt. Illustriert wird dies mithilfe von Marie, die zunächst den genauen Gegenpol bildet. Sie ist bescheiden, vorsichtig, verantwortungsbewusst – muss sich dafür sogar verspotten lassen. Aber je mehr Zeit sie in dieser schillernden Welt verbringt, je mehr sie realisiert, wie leicht diese Spekulationen sind, umso stärker kommen ihre Überzeugungen ins Wanken. Umso stärker wird sie korrumpiert. Die eigentliche Stärke von Goldjungs liegt deshalb gar nicht mal darin, dass der Film gierige Menschen vorführt. Solche kennen wir alle. Vielmehr ist die Stärke die Veranschaulichung, dass in den richtigen Umständen die meisten von uns der Versuchung erliegen würden, ob wir das nun wollen oder nicht.

Spielfreude und 70er Jahre Atmosphäre

Das ist sehr schön von Michelle Barthel (Der Boden unter den Füßen) verkörpert, wenn sie Marie mit weit aufgerissenen Augen und viel Naivität ins Verderben rennen lässt. Sie ist die Identifikationsfigur in dem ganzen Wahnsinn und dabei auch für die Ambivalenz zuständig. Der Rest des Ensembles darf dafür umso stärker draufhauen. Ob nun Tim Oliver Schultz als schmieriger Devisenhändler, Waldemar Kobus als inkompetenter und uninteressierter Bankenchef oder Judith Engel als betriebsblinde Zockersekretärin, es macht einfach Spaß, ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich ins Unglück stürzen. Überhaupt ist der Unterhaltungsfaktor bei Goldjungs groß, größer als bei vielen „normalen“ Komödien, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so laufen. Da zudem die Ausstattung schönstes 70er-Jahre Feeling beschert, lohnt sich der Ausflug in die abgründige Finanzwelt, selbst wenn am Ende keiner wirklich etwas dazugelernt hat.

Credits

OT: „Goldjungs“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Christoph Schnee
Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn
Kamera: Armin Golisano
Besetzung: Michelle Barthel, Tim Oliver Schultz, Ulrich Brandhoff, Jan Krauter, Waldemar Kobus, Leslie Malton, Martin Brambach, Judith Engel, Bettina Stucky

Bilder

Interview

Michelle Barthel Goldjungs InterviewWas hat sie an der Geschichte rund um den Banken-Crash gereizt? Und hätte sie selbst der Versuchung des schnellen Geldes widerstehen können? Diese und weitere Fragen haben wir Hauptdarstellerin Michelle Barthel in unserem Interview zu Goldjungs gestellt.

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„Goldjungs“ nimmt uns mit in die 1970er, als eine Bank vor lauter Spekulationen zusammenbrach. Der Film zeigt dabei mit einem spielfreudigen Ensemble auf unterhaltsame Weise, wie sich Menschen vor lauter Gier ins Unglück stürzen. Gleichzeitig lautet die erschreckende Erkenntnis, dass praktisch jeder dieser Verführung verfallen kann, wenn die Umstände stimmen.
7
von 10